PILGERREISE INS HEILIGE LAND AUS ANLASS DES 50. JAHRESTAGS
DER BEGEGNUNG ZWISCHEN PAPST PAUL VI. UND PATRIARCH ATHENAGORAS IN JERUSALEM
(24.-26. MAI 2014)
PRESSEKONFERENZ MIT PAPST FRANZISKUS
AUF DEM RÜCKFLUG AUS DEM HEILIGEN LAND
Montag, 26. Mai 2014
Pater Lombardi:
Zuerst einmal sagen wir dem Papst unseren außerordentlichen Dank, dass er hier ist: Nach einer so strapaziösen Reise steht er für eine Begegnung mit uns zur Verfügung. Wir sind ihm also sehr dankbar.
Nun, wir haben uns eingeteilt – die Vertreter der Nachrichtendienste haben sich selbständig untereinander abgesprochen – in einige hauptsächliche Sprachgruppen, die einige Personen benennen, die die Fragen stellen. Ich habe keine Beschränkungen gesetzt, weil ich weiß, dass Sie in allen Bereichen arbeiten wollen, es sei denn, Sie möchten etwas zur Einführung sagen… Beginnen wir mit den Fragen.
Die erste Frage wird für die italienische Gruppe vorgebracht:
Frage:
Heiliger Vater, Sie haben in diesen Tagen Gesten vollzogen, die um die ganze Welt gegangen sind: die Hand auf die Mauer von Bethlehem gelegt, das Kreuzzeichen, der Kuss für die Überlebenden heute in Yad Vashem, aber auch der Kuss gestern auf das Heilige Grab gemeinsam und gleichzeitig mit Bartholomäus und viele andere. Wir möchten Sie fragen, ob Sie alle diese Gesten willentlich geplant hatten; warum Sie sie geplant haben und welches Ihrer Meinung nach die Auswirkungen dieser Gesten sein werden – außer der äußerst starken Geste, Peres und Abu Mazen in den Vatikan eingeladen zu haben…
Antwort (Papst Franziskus):
Nun, die Gesten, die am echtesten sind, sind jene, die man nicht plant, die spontan kommen, nicht wahr? Ich habe gedacht: „Man könnte etwas tun…“, doch die konkrete Geste – keine von ihnen war so geplant. Einige Dinge, z. B. die Einladung an die beiden Präsidenten zum Gebet, das war ein wenig geplant, um es dort zu tun, aber da waren so viele logistische Probleme, so viele…, denn die Präsidenten müssen auch das Territorium berücksichtigen, wo man es durchführt, und das ist nicht leicht. Man dachte etwa an eine Versammlung, aber am Ende ist das herausgekommen, was, wie ich hoffe, gut geht. Doch sie waren nicht geplant und… ich weiß nicht, mir kommt in den Sinn, etwas zu tun, aber das ist spontan, das ist so. Wenigstens, um ehrlich zu sein, einige Male: „…aber dort könnte man etwas tun…“, doch die konkrete Form kommt mir nicht in den Sinn. Zum Beispiel in Yad Vashem: nichts; und dann kam es. So ist das.
P. Lombardi:
Gut. Eine zweite Frage, von der Gruppe englischer Sprache.
Frage:
Sie haben mit sehr harten Worten über den sexuellen Missbrauch Minderjähriger durch Angehörige des Klerus, durch Priester, gesprochen. Sie haben eine Sonderkommission geschaffen, um dieses Problem auf universalkirchlicher Ebene besser anzugehen. Unter praktischem Gesichtspunkt: Wir wissen bereits, dass es in allen Ortskirchen Vorschriften gibt, die eine starke moralische und oft gesetzliche Verpflichtung zur Zusammenarbeit in der einen oder anderen Weise mit den örtlichen zivilen Behörden auferlegen. Was werden Sie tun, wenn es einen Bischof geben sollte, der diesen Verpflichtungen offensichtlich nicht nachgekommen ist, sie nicht eingehalten hat? Ist es ausgeschlossen, ihn zum Rücktritt zu zwingen? Wird es andere Strafen geben? Ganz konkret: Wie kann man ihn zur Ordnung rufen?
Antwort (Papst Franziskus):
In Argentinien sagen wir von den Privilegierten: „Das ist ein Papa-Sohn“. In diesem Problem wird es keine Papa-Söhne geben. Zurzeit wird gegen drei Bischöfe ermittelt; gegen drei – einer ist bereits verurteilt – und es wird überlegt, welche Strafe anzuwenden ist. Es gibt keine Privilegien bei diesem Missbrauch Minderjähriger. Es ist ein so hässliches Verbrechen, so hässlich… Wir wissen, dass es überall ein schweres Problem ist, doch mich geht die Kirche an. Ein Priester, der so etwas tut, missbraucht den Leib des Herrn, denn dieser Priestermuss dieses Kind, diesen Jungen, dieses Mädchen zur Heiligkeit führen; und dieser Junge, dieses Mädchen vertraut ihm, und er, anstatt sie zur Heiligkeit zu führen, missbraucht sie. Das ist äußerst schwerwiegend! Das ist genauso – ich bringe nur einen Vergleich – das ist z. B. wie eine Schwarze Messe abzuhalten. Du sollst ihn zur Heiligkeit führen und führst ihn in ein Problem, das ein Leben lang fortdauert… Demnächst wird es in Santa Marta eine Messe geben mit einigen Personen, die Missbrauch erlitten haben, und danach eine Zusammenkunft mit ihnen: ich und sie mit Kardinal O’Malley, der zu der Kommission gehört. Doch in dieser Sache muss man vorangehen, immer weiter: Null-Toleranz.
P. Lombardi:
Vielen Dank, Heiligkeit. Und nun die Gruppe spanischer Sprache.
Frage:
Vom ersten Tag Ihres Pontifikats an haben Sie diese starke Botschaft einer armen Kirche für die Armen verbreitet, arm in Einfachheit, Sparsamkeit. Doch manchmal sehen wir, dass es da Situationen gibt, Skandale… zum Beispiel diese Situation mit dem Appartement von Kardinal Bertone oder das Fest, das berühmte Fest am Tag der Heiligsprechung oder, um auf Kardinal Bertone zurückzukommen, diese Unklarheit beim IOR, über die 15 Millionen Euro… Wie denken Sie darüber? Was wollen Sie tun, damit es keine Widersprüchlichkeiten zu dieser Botschaft der Sparsamkeit gibt? Danke.
Antwort (Papst Franziskus):
Jesus, der Herr, hat einmal zu seinen Jüngern gesagt – das steht im Evangelium –: „Es ist unvermeidlich, dass es Skandale gibt.“ Wir sind alle Menschen, Sünder. Und es wird Skandale geben. Es wird sie geben. Das Problem ist zu vermeiden, dass es noch mehr gibt! In der wirtschaftlichen Verwaltung sind Anständigkeit und Transparenz nötig. Die beiden Kommissionen, die, welche das IOR untersucht hat, und die Kommission, welche den gesamten Vatikan untersucht hat, haben ihre Schlüsse gezogen, haben Pläne vorgelegt, und jetzt werden mit dem Ministerium, sozusagen, mit dem Wirtschaftssekretariat, das Kardinal Pell leitet, die Reformen vorangebracht, die diese Kommissionen empfohlen haben. Aber es wird noch Inkongruenzen geben, die wird es immer geben. Denn wir sind Menschen, und die Reform muss fortdauern. Die Kirchenväter sagten: „Ecclesia semper reformanda.“ Wir müssen Acht geben, um die Kirche jeden Tag zu reformieren, denn wir sind Sünder, wir sind schwach, und es wird Probleme geben. Die Verwaltung, die dieses Wirtschaftssekretariat voranbringt, wird sehr helfen, die Skandale, die Probleme zu vermeiden… Zum Beispiel sind im IOR, glaube ich, bis jetzt mehr oder weniger 1.600 Konten von Personen geschlossen worden, die kein Recht auf ein Konto beim IOR besaßen. Das IOR ist zur Unterstützung der Kirche da, berechtigt sind die Diözesanbischöfe, die Angestellten des Vatikans, ihre Witwen oder Witwer, um die Pension zu beziehen… Eine solche Einrichtung ist das. Doch andere Privatpersonen haben kein Anrecht … die Botschaften, solange die Botschaft besteht, aber nichts mehr. Es ist keine offene Einrichtung. Und das ist eine gute Arbeit: die Konten schließen, die nicht berechtigt sind. Ich möchte noch etwas sagen: Sie haben in Ihrer Frage jene Angelegenheit der 15 Millionen erwähnt. Das ist etwas, das untersucht wird, die Sache ist nicht klar. Es könnte vielleicht wahr sein, aber in diesem Moment ist jene Frage noch nicht gelöst: sie wird untersucht, um gerecht zu sein. Danke.
P. Lombardi:
So, nun geben wir das Wort an die französische Gruppe.
Frage:
Heiliger Vater, nach dem Nahen Osten kehren wir jetzt nach Europa zurück. Sind Sie besorgt über die Zunahme des Populismus in Europa, der sich noch gestern bei den europäischen Wahlen gezeigt hat?
Antwort (Papst Franziskus):
In diesen Tagen hatte ich Zeit, das Vaterunser zu beten, ein bisschen [lacht], aber ich habe wirklich keine Nachrichten über die Wahlen. Ich habe nicht die Daten, wer gewonnen, wer nicht gewonnen hat. Ich habe keine Nachrichten erhalten. Aber in welchem Sinn fragen Sie mich nach dem Populismus?
Frage:
In dem Sinn, dass heute viele Europäer Angst haben und glauben, dass es in Europa keine Zukunft gibt. Es gibt viel Arbeitslosigkeit, und die anti-europäische Partei hat in diesen Wahlen einen starken Zuwachs zu verzeichnen…
Antwort (Papst Franziskus):
Das ist ein Thema, von dem ich gehört habe. Von Europa, vom Vertrauen oder Misstrauen in Europa. Auch über den Euro, einige wollen zurückkehren… Von diesen Dingen verstehe ich nicht viel. Aber Sie haben ein Schlüsselwort gesagt: die Arbeitslosigkeit. Das ist eine ernste Sache. Es ist ernst, denn ich interpretiere das so, indem ich es vereinfache: Wir befinden uns in einem weltweiten Wirtschaftssystem, in dessen Zentrum das Geld steht und nicht der Mensch. In einem wahren Wirtschaftssystem müssen im Zentrum der Mann und die Frau, die menschliche Person stehen. Und heute steht im Zentrum das Geld. Um sich zu erhalten, um im Gleichgewicht zu bleiben, muss dieses System mit einigen Maßnahmen der „Aussonderung“ vorangehen. Und ausgesondert werden die Kinder – die Geburtenraten in Europa sind nicht sehr hoch! Ich glaube, Italien liegt sie bei 1,2 Prozent, Frankreich, ihr habt 2 Prozent, ein bisschen mehr; Spanien hat weniger als Italien, ich weiß nicht, ob es 1 Prozent erreicht… Die Kinder werden ausgesondert. Und die alten Menschen werden ausgesondert: Sie sind nutzlos, die Alten. In der augenblicklichen Konjunktur sucht man sie auf, denn sie sind Pensionäre, und man ist in Not – aber das ist konjunkturbedingt. In vielen Ländern werden die Alten ausgesondert, auch mit Methoden verschleierter Euthanasie. Das heißt, man gibt die Medikamente bis zu einem gewissen Punkt, und so… Und zurzeit werden die Jugendlichen ausgesondert, und das ist äußerst schwerwiegend, sehr besorgniserregend! In Italien liegt die Jugendarbeitslosigkeit, glaube ich, ungefähr bei 40 Prozent, ich bin nicht sicher; in Spanien – das weiß ich mit Sicherheit – sind es 50 Prozent. Und in Andalusien, im Süden Spaniens, sind es 60 Prozent! Das bedeutet, dass es eine ganze Generation von „ni-ni“ – „weder, noch“ – gibt: Weder studieren, noch arbeiten sie, und das ist sehr besorgniserregend. Eine Generation von Jugendlichen wird ausgesondert. Für mich ist diese Kultur der Aussonderung äußerst besorgniserregend. Aber das gilt nicht nur für Europa, es ist ein wenig überall so, aber in Europa ist es besonders spürbar. Wenn Sie das mit der Situation vor zehn Jahren vergleichen, mit der Kultur des Wohlstands… Das ist tragisch. Es ist ein schwieriger Moment. Es ist ein unmenschliches Wirtschaftssystem. Ich habe mich nicht gescheut, im Apostolischen Schreiben Evangelii gaudium zu sagen: Dieses Wirtschaftssystem tötet. Und ich wiederhole es. Ich weiß nicht, ob ich damit etwas auf Ihre Unruhe eingegangen bin… Danke.
P. Lombardi:
So, nun ist da die Gruppe portugiesischer Sprache.
Frage:
Ich möchte Sie fragen, Heiligkeit: Wie kann man die „Frage Jerusalem“ lösen, um – wie Sie gesagt haben – einen festen und dauerhaften Frieden zu erlangen? Danke.
Antwort (Papst Franziskus):
Es gibt viele Vorschläge zur Frage von Jerusalem. Die katholische Kirche, sagen wir der Vatikan hat seinen Standpunkt vom religiösen Aspekt her: Es soll die Stadt des Friedens der drei Religionen sein. Dies unter religiösem Aspekt. Die konkreten Maßnahmen für den Frieden müssen aus den Verhandlungen hervorgehen. Man muss verhandeln. Ich bin einverstanden, wenn aus der Verhandlung hervorgeht, dass es die Hauptstadt der einen oder der anderen Nation sein soll… aber das sind Hypothesen. Ich sage nicht: „Es soll so sein“, nein, es sind Hypothesen, über die sie verhandeln müssen. Ich fühle mich wirklich nicht kompetent zu sagen: „Man soll dies oder jenes tun“, denn das wäre ein Wahnsinn meinerseits. Doch ich glaube, dass man mit Ehrlichkeit, Brüderlichkeit und gegenseitigem Vertrauen den Verhandlungsweg einschlagen muss. Und dort wird über alles verhandelt: über das gesamte Territorium, auch über die Beziehungen. Es braucht Mut, um das zu tun, und ich bete so sehr zum Herrn, dass diese beiden Leaders, diese beiden Regierungen den Mut aufbringen, voranzugehen. Das ist der einzige Weg zum Frieden. Ich sage nur, was die Kirche dazu sagen muss und immer gesagt hat: Jerusalem sollte als Hauptstadt der drei Religionen bewahrt bleiben, als Bezugspunkt, als eine Stadt des Friedens – mir kam auch das Wort „sakral“, doch das ist nicht richtig – sondern des Friedens und der Religionen.
P. Lombardi:
Danke, Heiligkeit. Jetzt bitten wir den Vertreter deutscher Sprache nach vorn.
Frage:
Sie haben während Ihrer Pilgerschaft lange mit dem Patriarchen Bartholomäus gesprochen und ihn mehrmals getroffen. Wir fragen uns, ob Sie auch über konkrete Schritte der Annäherung gesprochen haben und ob es die Gelegenheit gab, auch darüber zu sprechen, jenseits der Gemeinsamen Erklärung und des Gebetes, was gewiss ein bedeutendes Zeichen war. Ich frage mich auch, ob die katholische Kirche eventuell etwas von den orthodoxen Kirchen lernen kann – ich beziehe mich auf die verheirateten Priester, eine Frage, die in Deutschland, dem Land, aus dem ich komme, vielen Katholiken am Herzen liegt, auch im Licht der Briefe, die Sie von Frauen erhalten haben, die Priester lieben… Es ist jedenfalls eine Frage, die drängt… Danke.
Antwort (Papst Franziskus):
Aber die katholische Kirche hat verheiratete Priester, nicht? Die Griechisch-Katholischen, die Koptisch-Katholischen… nicht? Es gibt sie, im orientalischen Ritus gibt es verheiratete Priester. Denn das Zölibat ist kein Glaubensdogma, es ist eine Lebensregel, die ich sehr schätze, und ich glaube, es ist ein Geschenk für die Kirche. Da es kein Glaubensdogma ist, ist die Tür immer offen. In diesem Moment haben wir nicht darüber gesprochen, als Programm, wenigstens für jetzt. Wir haben Bedeutenderes in Angriff zu nehmen. Mit Bartholomäus wurde dieses Thema nicht berührt, weil es in den Beziehungen mit den Orthodoxen wirklich zweitrangig ist. Wir haben über die Einheit gesprochen. Aber die Einheit schafft man unterwegs, die Einheit ist ein Weg. Wir können die Einheit niemals auf einem Theologie-Kongress herstellen. Und er hat mir gesagt, dass es wahr ist, was ich schon wusste, dass nämlich Athenagoras zu Papst Paul VI. gesagt hat: „Wir gehen in aller Ruhe gemeinsam, und all die Theologen, die setzen wir auf eine Insel, dass sie miteinander diskutieren, und wir gehen voran im Leben!“ Es ist wahr, ich meinte, es sei… Nein, nein, es ist wahr! Bartholomäus hat es mir in diesen Tagen bestätigt. Gemeinsam gehen, gemeinsam beten, gemeinsam arbeiten in so vielen Dingen, die wir gemeinsam tun können, einander helfen. Zum Beispiel mit den Kirchen. In Rom und in vielen Städten benutzen viele Orthodoxe katholische Kirchen zum einen oder anderen Zeitpunkt, als eine Hilfe für dieses gemeinsame Gehen. Ein anderes Thema, über das wir gesprochen haben, damit vielleicht im panorthodoxen Rat etwas getan werden kann, ist das Osterdatum, denn es ist ein bisschen lächerlich: – Sag mir, wann wird dein Christus auferstehen? – Nächste Woche – Meiner ist schon letzte Woche… – Ja, das Osterdatum ist ein Zeichen der Einheit. Und mit Bartholomäus sprechen wir als Brüder. Wir mögen uns, wir erzählen einander Schwierigkeiten unserer Regierung. Und eine Sache, über die wir ziemlich viel gesprochen haben, ist das ökologische Problem: Er ist sehr besorgt und ich auch; wir haben ausführlich besprochen, zusammen eine gemeinsame Arbeit über dieses Problem zu erstellen. Danke.
P. Lombardi:
Angesichts der Tatsache, dass wir hier nicht nur Europäer oder Amerikaner oder dergleichen sind, sondern auch Asiaten unter uns haben, lassen wir jetzt den Vertreter der asiatischen Gruppe eine Frage stellen, weil Sie sich auch darauf vorbereiten, Reisen nach Asien zu unternehmen.
Frage:
Ihre nächste Reise wird nach Südkorea gehen. Daher möchte ich Sie etwas in Bezug auf die asiatischen Regionen fragen. In Nachbarländern gibt es keine Religionsfreiheit und keine Freiheit der Meinungsäußerung. Was denken Sie zugunsten der Menschen zu tun, die unter diesen Situationen leiden?
Antwort (Papst Franziskus):
Im Hinblick auf Asien sind zwei Reisen im Programm: die nach Südkorea, für die Begegnung mit den asiatischen Jugendlichen, und dann im kommenden Januar eine Zwei-Tages-Reise nach Sri Lanka und dann auf die Philippinen, in das Gebiet, das vom Taifun betroffen war. Das Problem der mangelnden Freiheit der Religionsausübung betrifft nicht nur einige asiatische Länder: einige wohl, aber auch andere Länder der Erde. Die Religionsfreiheit ist etwas, was nicht alle Länder haben. Einige üben eine mehr oder weniger sanfte und unterschwellige Kontrolle aus, andere gebrauchen Maßnahmen, die zu einer echten Verfolgung der Gläubigen führen. Dort gibt es Märtyrer! Es gibt heute Märtyrer, christliche Märtyrer. Katholische und nicht katholische, aber Märtyrer. Und an einigen Orten darf man nicht ein Kreuz tragen oder eine Bibel besitzen. Du kannst den Kindern nicht den Katechismus lehren – und zwar heute! Und ich glaube – ich meine nicht zu irren – dass es in der heutigen Zeit mehr Märtyrer gibt, als in den ersten Jahrhunderten der Kirche. Wir müssen uns aufmachen, mancherorts mit Vorsicht, um ihnen Hilfe zu bringen. Wir müssen viel für diese Ortskirchen beten, die leiden, sehr leiden. Wie die Bischöfe, so arbeitet auch der Heilige Stuhl mit Diskretion, um diesen Ländern zu helfen, also den Christen in diesen Ländern. Aber das ist keine einfache Sache. Ich will dir folgendes Beispiel erzählen: In einem Land ist es verboten, miteinander zu beten. Es ist verboten. Aber die Christen, die dort wohnen, möchten die Eucharistie feiern! Und es gibt dort einen Mann, der als Arbeiter auftritt, der aber in Wirklichkeit Priester ist. Und er geht zu ihnen, um an einem Tisch die Eucharistie zu feiern. Sie erwecken den Anschein, als würden sie Tee trinken. Wenn die Polizei kommt, verstecken sie schnell die Bücher und trinken Tee. So etwas geschieht heute. Das ist nicht einfach.
P. Lombardi:
Fahren wir fort mit der Reihe aus der italienischsprachigen Gruppe:
Frage:
Heiligkeit, Sie bewältigen in Ihrem Pontifikat ein enormes Ausmaß an Aufgaben. Das tun Sie in rascher Folge, wie wir das in diesen Tagen gesehen haben. Wenn Sie in der Zukunft – sagen wir eines fernen Tages – spüren würden, nicht mehr die Kraft zu besitzen, um Ihren Dienst leisten zu können, würden Sie dann die gleiche Entscheidung wie Ihr Vorgänger treffen, nämlich das Papstamt aufzugeben?
Antwort (Papst Franziskus):
Ich werde das tun, was mir der Herr zu tun aufträgt: beten und den Willen Gottes erfragen. Aber ich glaube, dass Benedikt XVI. kein Einzelfall ist. Es kam so, dass er nicht die Kraft hatte und ehrlich – er ist ein Mann des Glaubens und sehr demütig – diese Entscheidung getroffen hat. Ich glaube, dass er eine neue Einrichtung verkörpert: Vor 70 Jahren gab es fast noch keine emeritierten Bischöfe. Und jetzt gibt es viele. Was wird mit den emeritierten Päpsten geschehen? Ich glaube, wir müssen auf ihn schauen wie auf eine neue Einrichtung. Er hat eine Tür geöffnet, die Tür der emeritierten Päpste. Es wird weitere geben, oder nicht? Gott weiß es. Aber diese Tür ist offen: ich glaube, dass ein Bischof von Rom, ein Papst, der spürt, dass seine Kräfte nachlassen – weil man jetzt auch länger lebt –, sich die gleichen Fragen stellen muss, die Papst Benedikt sich gestellt hat.
P. Lombardi:
Jetzt kehren wir zur englischsprachigen Gruppe zurück:
Frage:
Heiliger Vater, gerade heute sind Sie mit einer Gruppe von Holocaust-Opfern zusammengekommen: Natürlich ist Ihnen bekannt, dass eine Gestalt, die immer noch Befremden über seine Rolle während des Holocausts hervorruft, einer Ihrer Vorgänger Papst Pius XII. ist. Sie haben vor Ihrem Pontifikat geschrieben und gesagt, dass Sie Pius XII. schätzen, aber dass Sie auch wünschen würden, die Archive würden geöffnet, ehe man zu einer endgültigen Schlussfolgerung kommt. Also wir würden gerne wissen, ob Sie die Absicht haben, mit dem Seligsprechungsprozess von Pius XII. fortzufahren oder irgendeine weitere Wende in der Prozedur abwarten wollen, ehe Sie eine Entscheidung treffen? Danke.
Antwort (Papst Franziskus):
Danke auch Ihnen. Die Causa von Pius XII. ist eröffnet. Ich habe mich informiert: Es gibt noch kein Wunder, und wenn es keine Wunder gibt, geht es nicht weiter, nicht wahr? Hier steht sie still. Wir müssen die Wirklichkeit abwarten, wie sich die Wirklichkeit dieser Causa entwickelt. Dann erst können wir daran denken, die Entscheidungen zu treffen. Aber die Wahrheit ist die, dass es kein Wunder gibt, und es braucht zumindest eines für die Seligsprechung. So steht es gegenwärtig um die Causa von Pius XII. Ich kann nicht denken: „Spreche ich ihn jetzt selig oder nicht?“, weil der Prozess langwierig ist. Danke.
P. Lombardi:
So, nun gehen wir nach Argentinien, eine weitere Frage der Gruppe spanischer Sprache.
Frage:
Sie sind ein geistlicher Leader und auch ein politischer Leader geworden und eröffnen viele Erwartungen sowohl innerhalb der Kirche als auch in der Internationalen Gemeinschaft. Innerhalb der Kirche zum Beispiel: Was wird mit der Kommunion der wiederverheirateten Geschiedenen geschehen? – und in der Internationalen Gemeinschaft diese Vermittlung, mit der Sie die Welt überrascht haben und durch die diese Begegnung im Vatikan stattfinden wird… Die Frage ist, ob Sie nicht ein Scheitern fürchten, da Sie viele Erwartungen wecken: Fürchten Sie nicht, dass es einen Misserfolg geben könnte? Danke.
Antwort (Papst Franziskus):
Zuerst gebe ich eine Klarstellung über diese Begegnung im Vatikan: Es wird ein Gebetstreffen sein, es wird nicht stattfinden, um eine Vermittlung zu unternehmen oder Lösungen zu suchen, nein. Wir werden uns versammeln, um zu beten, nur das. Und dann wird jeder nach Hause zurückkehren. Aber ich glaube, dass das Gebet wichtig ist, und gemeinsam zu beten, ohne Diskussionen anderer Art zu führen, das hilft. Vielleicht habe ich vorher nicht ausreichend erklärt, wie es sein wird. Es wird ein Gebetstreffen sein: Da wird ein Rabbiner sein, da wird ein Muslim sein, und da werde ich sein. Ich habe den Kustos des Heiligen Landes gebeten, die praktischen Dinge ein wenig zu organisieren.
Zweitens, danke für die Frage über die Geschiedenen. Die Synode wird sich mit der Familie beschäftigen, mit dem Problem der Familie, dem Reichtum der Familie, der heutigen Situation der Familie. Das einleitende Referat, das Kardinal Kasper gehalten hat, hatte fünf Kapitel: vier über die Familie – die schönen Aspekte der Familie, ihr theologisches Fundament, einige die Familie betreffende Problemstellungen – und das fünfte Kapitel über das pastorale Problem der Trennungen, der Nichtigkeitserklärungen von Ehen, über die Geschiedenen… Zu diesem Problem gehört das der Kommunion. Und es hat mir nicht gefallen, dass viele Menschen – auch aus der Kirche, Priester – gesagt haben: „Ach, die Synode, um den Geschiedenen die Kommunion zu gewähren“ und sich gerade darauf, auf diesen Punkt geworfen haben. Ich habe es empfunden, als reduziere sich alles auf eine Kasuistik. Nein, die Sache ist viel, viel umfassender. Heute – wir alle wissen es – ist die Familie in der Krise: in einer weltweiten Krise. Die jungen Menschen wollen nicht heiraten; entweder heiraten sie gar nicht, oder sie leben einfach zusammen, die Ehe ist in der Krise und ebenso die Familie. Und ich möchte nicht, dass wir in diese Kasuistik fallen: Darf man, darf man nicht?... Darum danke ich sehr für diese Frage, denn sie gibt mir die Gelegenheit, das zu klären. Das pastorale Problem der Familie ist sehr, sehr umfassend, sehr umfassend. Und man muss jeden Fall einzeln untersuchen. Etwas, das Papst Benedikt drei Mal über die Geschiedenen gesagt hat, hilft mir sehr. Einmal im Aostatal, ein zweites Mal in Mailand und zum dritten Mal im Konsistorium, im letzten öffentlichen Konsistorium, das er für die Erhebung von Kardinälen abgehalten hat: die Verfahren zur Nichtigkeitserklärung zu untersuchen, den Glauben zu untersuchen, mit dem jemand zur Eheschließung geht, und zu verdeutlichen, dass die Geschiedenen nicht etwa exkommuniziert sind. Oft werden sie aber wie Exkommunizierte behandelt, und das ist schlimm. Das zur Kasuistik des Problems. Die Synode wird abgehalten über die Familie: den Reichtum und die Probleme der Familie; Lösungen Nichtigkeit, all das. Und es wird auch dieses Thema zur Sprache kommen, aber im Rahmen des Ganzen. Nun möchte ich Ihnen sagen, warum eine Synode über die Familie: Das war für mich eine ganz starke geistliche Erfahrung. Im zweiten Monat meines Pontifikats kam Monsignore Eterovic, der damalige Sekretär der Synode, zu mir mit den drei Themen, die der nachsynodale Rat für die folgende Synode vorgeschlagen hatte. Das erste war sehr stark und gut: Die Bedeutung Jesu Christi für den Menschen von heute. Das war der Titel. Es war eine Weiterführung der Synode über die neue Evangelisierung. Ich sagte ja, wir haben ein wenig über die Reform der Methode gesprochen, und am Ende sagte ich: „Setzen wir noch etwas hinzu: Die Bedeutung Jesu Christi für den Menschen von heute und für die Familie“. Das passt gut. Als ich dann in die erste Versammlung des nachsynodalen Rates gegangen bin, sah ich, dass der Titel ganz und gar, ganz vollständig genannt wurde, aber nach und nach hieß es: „Ja, ja, die Bedeutung für die Familie“, „Was bringt Jesus Christus in die Familie ein“… und ohne es zu merken, sprach die nachsynodale Kommission schließlich von der Familie. Ich bin sicher, dass es der Geist des Herrn war, der uns zu der Wahl dieses Titels geführt hat. Ich bin sicher, denn heute braucht die Familie wirklich sehr viele pastorale Hilfen. Danke
P. Lombardi:
So, nun haben wir noch die französische Gruppe.
Frage:
Heiligkeit, können Sie uns sagen, welches die Hindernisse sind für Ihre Reform der Römischen Kurie und wie weit wir heute sind?
Antwort (Papst Franziskus):
Tja… das erste Hindernis bin ich… [lacht] Nein, wir sind recht weit, denn ich glaube… ich erinnere mich nicht an das Datum, aber drei Monate oder etwas weniger nach der Wahl wurde der Rat der acht Kardinäle ernannt…
P. Lombardi:
…ein Monat nach der Wahl…
Papst Franziskus:
…ein Monat nach der Wahl. Dann, in den ersten Julitagen haben wir uns zum ersten Mal versammelt, und von dem Moment an läuft die Arbeit. Was tut der Rat? Der Rat durchdenkt die ganze Konstitution Pastor Bonus und die Römische Kurie. Aus aller Welt und aus der ganzen Kurie hat er Meinungen eingeholt und beginnt einige Einzelheiten genauer zu untersuchen. „Dies kann man in dieser Weise tun, das in jener…“ Zum Beispiel einige Dikasterien zusammenlegen, um die Organisation ein wenig zu entlasten… Einer der Schwerpunkte war der wirtschaftliche, und jenes Wirtschaftsdikasterium wird sehr hilfreich sein. Es muss mit dem Staatssekretariat zusammenarbeiten, denn die Dinge sind miteinander verbunden, es arbeiten alle zusammen… Jetzt haben wir im Juli vier Arbeitstage mit dieser Kommission und dann im September, glaube ich, vier weitere. Es wird gearbeitet, ziemlich viel gearbeitet. Und alle Ergebnisse sind noch nicht sichtbar, aber der wirtschaftliche Teil ist der, welcher zuerst öffentlich wurde, denn es gab einige Probleme, über die die Presse ziemlich viel berichtete, und wir müssen sie im Auge haben. Die Hindernisse sind die normalen Hindernisse des gesamten Prozesses. Den Weg erforschen… Die Überzeugung ist sehr wichtig. Eine Arbeit, um zu überzeugen, zu helfen… Es gibt einige, die nicht den Durchblick haben, aber jede Reform ist mit solchen Dingen verbunden. Doch ich bin zufrieden, wirklich, ich bin zufrieden. Es ist ziemlich viel gearbeitet worden, und diese Kommission hilft uns sehr. Danke.
P. Lombardi:
Heiligkeit, danke für Ihre Bereitschaft; entschuldigen Sie, wenn ich Ihr Gespräch unterbreche: Sie sind äußerst großzügig gewesen, umso mehr nach einer außergewöhnlichen Reise, die uns alle erschüttert hat, ich sage nicht ebenso wie Sie, aber fast. Wir haben auch geistlich sehr bewegende Momente verfolgt, die Sie an den heiligen Stätten erlebt haben, wir haben sie mitempfunden, und das hat uns innerlich angerührt. Wir wünschen Ihnen, dass Sie diese Reise gut fortsetzen sowie die unendlich vielen anderen Dinge, die Sie ständig in Bewegung bringen, besonders auch dieses Gebetstreffen, das die natürliche Weiterführung und die Vervollständigung dieser Reise darstellt: Möge es die Früchte tragen, die Sie und, glaube ich, wir alle ersehnen für den Frieden in der Welt. Herzlichen Dank, Heiligkeit!
Papst Franziskus:
Ich danke Ihnen sehr für die Gesellschaft, für Ihr Wohlwollen… und bitte, beten Sie für mich. Ich habe es nötig, ziemlich nötig! Danke.
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