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VESPERFEIER UND TE DEUM
AUS ANLASS DES 200-JAHR-FEIER DER
WIEDERERRICHTUNG DES JESUITENORDENS

ANSPRACHE DES HEILIGEN VATERS

Kirche "Il Gesù"
Samstag, 27. September 2014

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Liebe Brüder und Freunde im Herrn!

Die Gesellschaft, die mit dem Namen Jesu ausgezeichnet ist, hat schwierige Zeiten, Zeiten der Verfolgung erlebt. Während des Generalats von P. Lorenzo Ricci »erreichten die Feinde der Kirche sogar die Aufhebung der Gesellschaft« (vgl. Johannes Paul II., Botschaft an P. Kolvenbach, 31. Juli 1990; in O.R. dt., Nr. 43, 26.10.1990, S. 17) durch meinen Vorgänger Klemens XIV. Wenn wir heute ihrer Wiedererrichtung gedenken, sind wir aufgerufen unsere Erinnerung zu beleben, zu gedenken, indem wir uns die empfangenen Gaben und besonderen Gnaden ins Gedächtnis rufen (vgl. Geistliche Übungen, 234). Und das möchte ich hier und heute gemeinsam mit euch tun.

In Zeiten der Not und Unruhe erhebt sich immer  eine dichte Wolke von Zweifeln und Leiden, und es ist nicht leicht weiterzugehen, den Weg fortzusetzen. Vor allem in schwierigen Zeiten und Zeiten der Krise gibt es viele Versuchungen: stehen bleiben und über Ideen diskutieren, sich von der Trostlosigkeit überwältigen lassen, sich auf die Tatsache des Verfolgtseins konzentrieren und nichts anderes zu sehen. Beim Lesen der Briefe von Pater Ricci hat mich etwas sehr beeindruckt: seine Fähigkeit, sich von diesen Versuchungen nicht lähmen zu lassen und den Jesuiten in Zeiten der Not eine Sicht der Dinge vorzulegen, durch die sie in der Spiritualität der Gesellschaft Jesu noch tiefer verwurzelt wurden.

Als der Generalobere P. Ricci sah, wie sich dunkle Wolken am Horizont zusammenbrauten, schrieb er an die Jesuiten der damaligen Zeit und bestärkte sie in ihrer Zugehörigkeit zum Leib der Gesellschaft Jesu und in ihrer Sendung. Das ist es: In einer Zeit der Beunruhigung und Verwirrung hat er die Unterscheidung der Geister praktiziert. Er hat keine Zeit verloren mit der Diskussion über Ideen und mit Klagen, sondern er hat die Berufung der Gesellschaft Jesu auf sich genommen. Er musste sie hüten, er hat sie auf sich genommen. Und diese Haltung hat die Jesuiten dazu geführt, die Erfahrung des Todes und der Auferstehung des Herrn zu machen. Angesichts des Verlustes von allem, sogar ihrer öffentlichen Identität, haben sie sich dem Willen Gottes nicht widersetzt, haben sie im Konflikt keinen Widerstand geleistet, um sich selbst zu retten. Die Gesellschaft Jesu – und das ist schön – hat den Konflikt bis ins Letzte gelebt, ohne ihn zu schmälern: sie hat die Demütigung mit dem gedemütigten Christus gelebt, sie war gehorsam.

Aus einem Konflikt rettet man sich nie durch Schläue oder List, um standzuhalten. In der Unklarheit und angesichts der Demütigung hat die Gesellschaft Jesu es vorgezogen, die Unterscheidung des Willens Gottes zu leben, ohne eine Möglichkeit zu suchen, dem Konflikt wenigsten scheinbar in aller Ruhe zu entkommen. Oder zumindest auf elegante Weise: das hat sie nicht getan.

Es ist niemals die scheinbare Ruhe, die unser Herz befriedigt, sondern nur der wahre Friede, der eine Gabe Gottes ist. Man darf nie »billige Kompromisse« suchen oder falscher »Irenik« nachgeben. Nur die Unterscheidung der Geister rettet uns vor der wirklichen Entwurzelung, vor jener »Aufhebung« des Herzens, die Egoismus, Weltlichkeit, den Verlust unseres Horizontes bedeutet sowie unserer Hoffnung, die Jesus ist und die nur Jesus ist. Und so haben in der Phase der Aufhebung P. Ricci und die Gesellschaft die Geschichte einem möglichen unbedeutenden »Histörchen« vorgezogen, weil sie wussten, dass es die Liebe sein wird, die über die Geschichte urteilt, und dass die Hoffnung auch im Dunkel größer ist als alle unsere Erwartungen.

Die Unterscheidung muss in rechter Absicht geschehen, mit einfachem Blick. Deshalb spricht P. Ricci schließlich gerade bei diesem von Verwirrung und Orientierungslosigkeit geprägten Anlass über die Sünden der Jesuiten. Er scheint geradezu Gegenwerbung zu betreiben! Er verteidigt sich nicht, indem er sich als Opfer der Geschichte fühlt, sondern er bekennt sich als Sünder. Auf sich selbst zu blicken und sich als Sünder zu bekennen, damit vermeidet man, in die Situation zu geraten, sich vor einem Peiniger als Opfer zu betrachten. Sich als Sünder zu bekennen, sich wahrhaft als Sünder zu bekennen, bedeutet, die rechte Haltung anzunehmen, um den Trost zu empfangen.

Wir wollen kurz diesen Weg der Unterscheidung und des Dienstes Revue passieren lassen, den der Ordensgeneral der Gesellschaft gewiesen hat. Als die Dekrete Pombals 1759 die portugiesische Ordensprovinz zerstörten, erlebte P. Ricci diesen Konflikt nicht, indem er klagte und der Verzweiflung nachgab, sondern indem er zum Gebet um den guten Geist aufrief, um den wahren übernatürlichen Geist der Berufung, der vollkommenen Fügsamkeit gegenüber der Gnade Gottes. Als das Unwetter 1761 über Frankreich hereinbrach, forderte der Pater General dazu auf, das gesamte Vertrauen in Gott zu setzen. Er wollte, dass die erlittenen Prüfungen einer tieferen inneren Läuterung dienen sollten: Sie führen uns zu Gott und können seiner größeren Ehre dienen, und dann empfahl er das Gebet, die Heiligkeit des Lebens, die Demut und den Geist des Gehorsams. Auch 1767, nach der Vertreibung der Jesuiten aus Spanien, lädt er weiter zum Gebet ein. Und am 21. Februar 1773 schließlich, knapp sechs Monate vor der Unterzeichnung des Breves Dominus ac Redemptor, sieht er angesichts des vollständigen Fehlens menschlicher Hilfe darin die Hand der Barmherzigkeit Gottes, die diejenigen, die er prüft, einlädt, in niemand anders zu vertrauen als allein in ihn. Das Vertrauen muss gerade dann wachsen, wenn uns die Umstände niederschmettern. Wichtig ist für P. Ricci, dass die Gesellschaft Jesu bis zuletzt dem Geist ihrer Berufung treu ist: der größeren Ehre Gottes und der Rettung der Seelen.

Die Gesellschaft ist auch angesichts ihres eigenen Endes dem Ziel treu geblieben, für das sie gegründet worden war. Deshalb schließt Ricci mit der Ermahnung, den Geist der Liebe lebendig zu halten, den Geist der Einheit, des Gehorsams, der Geduld, der dem Evangelium entsprechenden Einfachheit, der wahren Freundschaft mit Gott. Alles andere ist Weltlichkeit. Die Flamme der größeren Ehre Gottes möge uns auch heute durchdringen, alle Selbstzufriedenheit verbrennen und uns einhüllen in eine Flamme, die wir in uns tragen, die uns zentriert und weit macht, die uns größer macht und kleiner macht.

So hat die Gesellschaft Jesu die äußerste Prüfung des von ihr zu Unrecht verlangten Opfers gelebt, indem sie sich das Gebet Tobits zu Eigen machte, der in seinem Schmerz mit gebrochenem Herzen seufzt, weint und dann betet: »Herr, du bist gerecht, alle deine Wege und Taten zeugen von deiner Barmherzigkeit und Wahrheit; wahr und gerecht ist dein Gericht in Ewigkeit. Denk an mich und blick auf mich herab! Straf mich nicht für die Sünden und Fehler, die ich und meine Väter dir gegenüber begangen haben. Sie haben nicht auf deine Gebote gehört. Darum hast du uns der Plünderung, der Gefangenschaft und dem Tod preisgegeben; bei allen Völkern, unter die wir zerstreut worden sind, hast du uns zum Gespött gemacht.« Und dann schließt er mit der wichtigsten Bitte: »Wende deine Augen nicht von mir ab!« (Tob 3,1-4.6d).

Und der Herr antwortete, indem er Rafael sandte, um Tobit von den weißen Flecken auf seinen Augen zu befreien, damit er das Licht Gottes wieder sehen konnte. Gott ist barmherzig, Gott krönt mit Erbarmen (vgl. Ps 103,4). Gott liebt uns und rettet uns. Zuweilen ist der Weg, der zum Leben führt, eng und schmal. Aber wenn die Not im Licht der Barmherzigkeit gelebt wir, dann läutert sie uns wie Feuer, dann schenkt sie uns so viel Trost und entflammt unser Herz in Liebe zum Gebet. Unsere Mitbrüder im Jesuitenorden waren während der Zeit der Aufhebung vom Geist entflammt und eifrig im Dienst des Herrn, fröhlich in der Hoffnung, geduldig in der Bedrängnis, beharrlich im Gebet (Röm 12,11-12). Und das gereichte der Gesellschaft zur Ehre, aber sicherlich nicht die Lobreden auf ihre Verdienste. So wird es immer sein.

Erinnern wir uns unserer Geschichte: Der Gesellschaft Jesu »wurde die Gnade zuteil, für Christus da zu sein, also nicht nur an ihn zu glauben, sondern auch seinetwegen zu leiden« (Phil 1,29). Es tut uns gut, uns daran zu erinnern. Das Schiff der Gesellschaft Jesu wurde von den Wellen hin- und hergeschleudert, und darüber darf man sich nicht wundern. Auch dem Schiff Petri kann das heute widerfahren. Die Nacht und die Mächte der Finsternis sind immer nahe. Das Rudern ist mühsam. Die Jesuiten müssen »erfahrene und tüchtige Ruderer« sein (Pius VII., Sollicitudo omnium ecclesiarum): Rudert also! Rudert, seid stark, auch bei Gegenwind! Wir wollen im Dienst der Kirche rudern. Rudern wir gemeinsam! Aber während wir rudern – alle rudern wir, auch der Papst im Schiff Petri –, müssen wir wieder und wieder beten: »Herr, rette uns!«, »Herr rette dein Volk!« Der Herr wird uns retten, auch wenn wir Kleingläubige und Sünder sind. Hoffen wir auf den Herrn! Hoffen wir immer auf den Herrn!

Die von meinem Vorgänger Pius VII. wiederhergestellte Gesellschaft Jesu bestand aus mutigen und demütigen Männern in ihrem Zeugnis für die Hoffnung, die Liebe und die apostolische Kreativität, die Kreativität des Heiligen Geistes. Pius VII. schrieb, er wolle die Gesellschaft Jesu wiederherstellen, um »den geistlichen Nöten der christlichen Welt ohne Unterschied von Volk und Nation in angemessener Weise zu Hilfe zu kommen « (ebd.). Deshalb gab er den Jesuiten, die dank eines protestantischen Herrschers und einer orthodoxen Herrscherin hier und dort weiterbestanden hatten, die Genehmigung, »in einem Leib vereint zu bleiben«. Möge die Gesellschaft Jesu immer eins sein in einem einzigen Leib!

Die Gesellschaft Jesu war sofort wieder missionarisch aktiv und stellte sich dem Apostolischen Stuhl zur Verfügung, indem sie sich großherzig »unter dem Banner des Kreuzes für den Herrn und seinen Stellvertreter auf Erden« einsetzte (Formula Instituti, 1). Die Gesellschaft Jesu nahm ihre apostolische Tätigkeit wieder auf in Predigt und Lehre, Seelsorge und Sakramentenspendung, Wissenschaft und Forschung, Sozialarbeit und Mission sowie der Sorge um die Armen, Leidenden und Ausgegrenzten.

Heute widmet sich die Gesellschaft Jesu mit Klugheit und Eifer auch dem tragischen Problem der Flüchtlinge und Vertriebenen und bemüht sich mit Unterscheidungsgabe darum, den Dienst des Glaubens und die Förderung von Gerechtigkeit in Einklang zu bringen, und zwar in Übereinstimmung mit dem Evangelium. Ich bestätige heute, was Paul VI. zu unserer 32. Generalkongregation sagte und was ich mit eigenen Ohren gehört habe: »Überall in der Kirche waren und sind Jesuiten stets an der schwierigen, vordersten Front, an Scheidewegen, dort, wo verschiedene Ideologien einander gegenüberstehen, wo soziale Konflikte aufbrechen, wo die leidenschaftlichen Forderungen der Menschen und die ewige Botschaft des Evangeliums aufeinanderstoßen« (Papst Paul VI., Wort und Weisung im Jahr 1974, S. 397). Das sind prophetische Worte des in Kürze seligen Paul VI.

Zur Zeit der Wiedererrichtung des Ordens im Jahr 1814 waren die Jesuiten eine kleine Herde, eine »Mínima Compañía«, die sich aber nach der Prüfung durch das Kreuz mit der großen Mission beauftragt wusste, das Licht des Evangeliums bis ans Ende der Erde zu tragen. So sollen auch wir uns heute sehen: im Aufbruch, in Mission. Die Identität eines Jesuiten ist die eines Mannes, der allein Gott anbetet und seine Brüder und Schwestern liebt und ihnen dient, der durch sein Beispiel nicht nur zeigt, was er glaubt, sondern auch was er erhofft und wer derjenige ist, in den er sein Vertrauen gesetzt hat (vgl. 2 Tim1,12). Ein Jesuit will Gefährte Jesu sein, jemand der so gesinnt ist wie Jesus.

Die Bulle Pius’ VII., mit der er die Gesellschaft Jesu wiedererrichtete, wurde am 7. August 1814 bei der Basilika Santa Maria Maggiore unterzeichnet, wo unser heiliger Vater Ignatius in der Weihnachtsnacht 1538 seine erste heilige Messe gefeiert hatte. Maria, unsere Herrin, Mutter der Gesellschaft Jesu, wird gerührt sein von unseren Anstrengungen, um ihrem Sohn zu dienen. Sie schütze und behüte uns immer.

 



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