ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE PRÄFEKTEN
VERSCHIEDENER STÄDTE ITALIENS
Clementina-Saal
Freitag, 6. Februar 2015
Herr Minister,
sehr geehrte Präfekten!
Ich empfange Sie alle mit Freude. Sie haben die schwierige Aufgabe, die zentrale Regierungsgewalt auf dem Staatsgebiet flächendeckend präsent zu machen, besonders im Hinblick auf den Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Ich danke dem Herrn Innenminister für die freundlichen Worte, die er in Ihrem Namen an mich gerichtet hat.
Durch differenzierte Zuständigkeiten, die langjährige geschichtliche Erfahrung und die weit verbreitete Anwesenheit in den örtlichen Kommunen stellt Ihre Institution einen wichtigen Faktor für den Zusammenhalt dar – wie der Herr Minister sehr gut in Erinnerung gerufen hat –, wenn sie in den verschiedenen territorialen Wirklichkeiten die vom Zentrum kommenden Koordinierungsweisungen auslegt. Gleichzeitig ist sie in der Lage, die Zentralgewalt auf besonders schwierige oder von Ausgrenzung geprägte Situationen hinzuweisen, indem sie Stimmen zu Gehör bringt, die andernfalls Gefahr liefen, schwach zu bleiben und nicht die gebührende Aufmerksamkeit zu finden. Es handelt sich um eine Arbeit, die eine beharrliche Hingabe an die eigenen Pflichten und eine vertiefte Kenntnis der Probleme erfordert sowie die notwendige Flexibilität, sich den zahlreich auftretenden praktischen Fällen zu widmen, von denen jeder seine Besonderheiten hat.
In diesen Jahren, die von einem besonderen Migrationsaufkommen gekennzeichnet sind, das mit der Zunahme gewaltsamer Konflikte in der Welt und ihren tragischen Folgen für die Menschen und die Wirtschaftssysteme vieler Länder verbunden ist, sind die Zuständigkeiten der Präfekten auf dem Gebiet der Einwanderung mit besonderen Schwierigkeiten behaftet. Sie machen es notwendig, im täglichen Umgang mit den Situationen, die oft Notlagen sind, die richtige Anwendung der Normen zu ermitteln, die zusammen mit der Treue gegenüber den Gesetzen und den anderen geltenden Vorschriften die gewissenhafte Achtung der Grundrechte jeder menschlichen Person gewährleistet. Und hier möchte ich mit Bezug auf das, was der Herr Minister gesagt hat, aufrichtigen Dank zum Ausdruck bringen für Ihren Einsatz, den Einsatz der Präfekten, zur Koordinierung der Aufnahme Tausender Männer, Frauen und Kinder, die an den italienischen Küsten angekommen sind.
Bei diesem Thema, wie bei vielen anderen, sind die Beziehungen fruchtbarer Zusammenarbeit zwischen den Präfekturen, den Diözesen und den Pfarreien äußerst hilfreich. Diese Zusammenarbeit verdient – unter Achtung der verschiedenen Zuständigkeiten – bestätigt, wertgeschätzt und vertieft zu werden. Die Kirche, eine göttliche und menschliche Wirklichkeit, wirkt in der Gesellschaft im Dienst der Menschen auf der Grundlage der Lehre Christi. Und in dem Wunsch, ihrer erzieherischen und karitativen Sendung nachzukommen, in aufrichtiger Zusammenarbeit mit den Einrichtungen des Staates zur Förderung des Menschen und zum Wohl des Landes, freut sie sich, in den Präfekturen einen der Bereiche zu finden, in denen dieses Zusammenwirken zum Wohl aller Bürger einen sehr konkreten Ausdruck findet. Andererseits ist für die volle Wirksamkeit Ihrer Aufgabe, die darin besteht, Bindeglied zu sein, zuzuhören und nach den Umständen angemessenen Lösungen zu suchen, in Übereinstimmung mit den anderen Einrichtungen auf örtlicher und auf zentraler Ebene, eine besondere Autoritätsausübung unverzichtbar, verwurzelt im Gehorsam und mit dem einzigen edlen Ziel des Dienstes. Der Gehorsam gegenüber dem Gesetz und den Kriterien der Menschlichkeit, an denen es ausgerichtet ist, sowie die Treue gegenüber den Institutionen stellen den unverzichtbaren Rahmen dar, in dem Ihre Funktion ausgeübt wird.
Diese Haltung fördert die Annahme jenes besonderen »habitus«, der die Fähigkeit zur Übernahme hoher Verantwortungen verleiht. Denn zu den Ursachen der Autoritätskrise, die unsere Gesellschaft in verschiedenen – sowohl öffentlichen als auch privaten – Bereichen erfährt, mit Folgen von großer Tragweite besonders für die Erziehung der jungen Generationen, gehört gerade der Mangel an dieser grundlegenden Bereitschaft zum Gehorsam, zum Zuhören, zur Geduld. Ziel der Autoritätsausübung ist außerdem immer die Erlangung des Gemeinwohls. Sie findet ihren innersten Seinsgrund und die Möglichkeit ihrer Wirkkraft darin, dass sie sich täglich in den Dienst jener stellt, auf die sich ihre Amtsgewalt erstreckt, in Nachahmung dessen, was Jesus, der Herr, getan hat, der zu uns gekommen ist wie der, der bedient (vgl. Lk 22,27).
Je mehr die Bürger spüren, dass die konstituierten Gewalten großherzig darauf ausgerichtet sind, Antworten auf ihre Bedürfnisse zu geben und ihre Rechte zu schützen, desto mehr werden sie bereit sein, ihre Weisungen zu akzeptieren und eine aktive und geordnete Haltung der Zusammenarbeit und der Achtung einzunehmen. Ihr seid also berufen, eure Sachkenntnis und eure Menschlichkeit, eure Kenntnisse und eure Klugheit zur Verfügung zu stellen, ohne Mutlosigkeit und Pessimismus, wissend, dass ihr nicht abstrakten Fragen gegenübersteht, sondern dass diese das konkrete Gesicht von Männern und Frauen tragen, mit ihren Problemen und ihren Hoffnungen, die in diesen Jahren der Ungewissheit und der wirtschaftlichen Schwierigkeiten noch dringender geworden sind. Ich bin sicher, dass euer Pflichtbewusstsein und das Wissen um die Bedeutung eurer Rolle euch helfen werden, den zukünftigen Aufgaben auf die bestmögliche Weise mit Hingabe und Opferbereitschaft zu begegnen.
Mit diesen Wünschen rufe ich die Fürsprache eures heiligen Schutzpatrons Ambrosius auf euch herab, bitte euch, für mich zu beten, und segne euch von Herzen. Danke.
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