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APOSTOLISCHE REISE VON PAPST FRANZISKUS
NACH ECUADOR, BOLIVIEN UND PARAGUAY

(5.-13. JULI 2015)

BESUCH DER STRAFANSTALT SANTA CRUZ - PALMASOLA

ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS

Santa Cruz de la Sierra (Bolivien)
Freitag, 10. Juli 2015

[Multimedia]


 

Liebe Brüder und Schwestern,

Ich konnte Bolivien nicht verlassen, ohne euch zu besuchen, ohne den Glauben und die Hoffnung mit euch zu teilen, die aus der am Kreuz dargebrachten Liebe entspringen.

Danke, dass ihr mich empfangt. Ich weiß, dass ihr euch vorbereitet und für mich gebetet habt. Vielen Dank!

In den Worten von Bischof Jesús Juárez und in dem Zeugnis der Brüder und Schwestern, die gesprochen haben, konnte ich feststellen, dass der Schmerz nicht imstande ist, die Hoffnung auf dem Grund des Herzens auszulöschen, und dass das Leben auch unter widrigen Umständen weiter kraftvoll Knospen treibt.

Wer steht da vor euch? – Das könntet ihr euch fragen. Ich möchte euch diese Frage mit einer Gewissheit aus meinem Leben beantworten, mit einer Gewissheit, die mich für immer geprägt hat. Der vor euch steht, ist ein Mann, der Vergebung erfahren hat. Ein Mann, der von seinen vielen Sünden erlöst wurde und wird. Und als solcher stelle ich mich vor. Viel mehr habe ich euch nicht zu geben oder anzubieten, doch was ich habe und was ich liebe, ja, das möchte ich euch geben, möchte es mit euch teilen: Es ist Jesus, Jesus Christus, die Barmherzigkeit des Vaters.

Er ist gekommen, um uns die Liebe zu zeigen und sichtbar zu machen, die Gott zu uns hat. Zu euch, zu dir, zu dir, zu mir. Eine tätige, echte Liebe. Eine Liebe, welche die Wirklichkeit der Ihren ernst nahm. Eine Liebe, die heilt, vergibt, aufrichtet und pflegt. Eine Liebe, die Nähe schenkt und Würde zurückgibt. Eine Würde, die wir in vielerlei Art und Weise verlieren können. Doch Jesus ist darin hartnäckig: Er gab sein Leben dafür, um uns unsere verlorene Identität zurückzugeben, um uns mit der ganzen Kraft seiner Würde zu bekleiden.

Es kommt mir eine Erfahrung in den Sinn, die uns helfen kann: Petrus und Paulus, zwei Jünger Jesu, sind auch Gefangene gewesen. Auch ihnen wurde die Freiheit entzogen. In dieser Situation hatten sie etwas, das sie stützte, etwas, das sie nicht in Verzweiflung fallen ließ, das sie nicht in die Dunkelheit fallen ließ, die aus der Sinnlosigkeit entspringen kann. Und das war das Gebet, war das Beten. Das persönliche und das gemeinschaftliche Gebet. Sie haben gebetet, und für sie wurde gebetet. Zwei Bewegungen, zwei Handlungen, die miteinander ein Netz bilden, das dem Leben und der Hoffnung eine Stütze gibt. Das bewahrt uns vor der Hoffnungslosigkeit und spornt uns an weiterzugehen. Ein Netz, welches das Leben unterstützt, das eure und das eurer Familien. Du hast von deiner Mutter gesprochen [Er richtet sich an die Person, die zu Beginn ihr Zeugnis gegeben hat]. Das Gebet der Mütter, das Gebet der Ehefrauen, das Gebet der Kinder und das eure: Das ist das Netz, welches das Leben weiterträgt.

Wenn nämlich Jesus in das Leben eintritt, bleibt man nicht in der Vergangenheit verhaftet, sondern beginnt, die Gegenwart in einer anderen Weise, mit einer anderen Hoffnung zu sehen. Man beginnt, sich selbst, seine eigene Wirklichkeit mit anderen Augen zu sehen. Man bleibt nicht an das gekettet, was geschehen ist, sondern ist fähig, zu weinen und so die Kraft zu einem neuen Anfang zu finden. Und wenn wir in manchen Momenten traurig sind, uns schlecht und niedergeschlagen fühlen, dann lade ich euch ein, auf das Antlitz des gekreuzigten Jesus zu schauen. In seinem Blick können wir alle Platz finden. Alle können wir vor ihm unsere Verwundungen, unsere Leiden ebenso wie auch unsere Fehler, unsere Sünden niederlegen – so viele Dinge, in denen wir uns verfehlt haben können. In den Wunden Jesu finden unsere Wunden Platz. Denn alle sind wir in der einen oder anderen Weise verwundet. Unsere Wunden in die Wunden Jesu tragen. Und wozu? Damit sie gepflegt, reingewaschen, verwandelt und in ein neues Leben geführt werden. Er starb für euch, für mich, um uns seine Hand zu reichen und uns hochzuziehen. Sprecht, redet mit den Priestern, die kommen, redet mit ihnen! Sprecht mit den Brüdern und Schwestern, die kommen, redet mit ihnen! Redet mit allen, die kommen, um euch von Jesus zu sprechen. Jesus will uns immer hochziehen.

Und diese Gewissheit macht uns bereit, für unsere Würde zu arbeiten. Haft ist nicht das Gleiche wie Ausschließung – das sei klargestellt –, denn die Haft ist Teil eines Prozesses der Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Es gibt viele Elemente, die sich an diesem Ort nachteilig für euch auswirken, das weiß ich sehr wohl, und du hast einige davon in aller Deutlichkeit zur Sprache gebracht [Er wendet sich erneut der Person zu, die anfangs ihr Zeugnis gegeben hat]: die Überbelegung, die Langsamkeit der Justiz, der Mangel an Arbeitstherapien und an Rehabilitationsprogrammen, die Gewalt, das Fehlen von Erleichterungen für das Universitätsstudium – alles Dinge, die ein schnelles und effizientes Zusammenwirken der Institutionen nötig machen, um Lösungen zu finden.

Während dafür gekämpft wird, dürfen wir jedoch nicht alles als verloren ansehen. Es gibt Dinge, die wir heute tun können.

Hier in diesem Rehabilitationszentrum hängt das Zusammenleben zum Teil von euch ab. Das Leiden und die Entbehrung können unser Herz egoistisch werden lassen und Anlass zu Auseinandersetzungen geben, doch wir haben auch die Fähigkeit, das in eine Gelegenheit für echte Brüderlichkeit zu verwandeln. Helft euch gegenseitig! Habt keine Angst, einander zu helfen! Der Teufel fordert  den Streit heraus, er sucht die Rivalität, die Spaltung, die Parteiungen. Spielt nicht sein Spiel! Ringt darum, vereint weiterzukommen!

Ich möchte euch auch bitten, eure Familien von mir zu grüßen – einige sind hier zugegen. Die Gegenwart und die Hilfe der Familie ist so wichtig! Die Großeltern, der Vater, die Mutter, die Geschwister, die Partnerin, die Kinder. Sie erinnern uns daran, dass es sich lohnt, zu leben und für eine bessere Welt zu kämpfen.

Zum Schluss ein Wort der Ermutigung an alle, die in diesem Zentrum arbeiten: an die Leiter, an die Beamten der Gefängnispolizei und an das gesamte Personal. Sie leisten einen öffentlichen und grundlegenden Dienst. Sie haben eine wichtige Aufgabe in diesem Prozess der Wiedereingliederung – die Aufgabe, emporzuheben und nicht zu erniedrigen; Würde zu verleihen und nicht zu demütigen; zu ermuntern und nicht zu betrüben. Dieser Prozess verlangt, eine Logik der „Guten“ und der „Schlechten“ aufzugeben, um zu einer Logik überzugehen, die darauf ausgerichtet ist, dem Menschen zu helfen. Und diese Logik, dem Menschen zu helfen, bewahrt Sie vor jeder Art von Korruption und wird die Bedingungen für alle verbessern. Denn ein so gelebter Prozess verleiht uns allen Würde, baut uns auf und erhebt uns.

Bevor ich euch den Segen gebe, möchte ich, dass wir einen Moment schweigend beten – im Stillen, jeder in seinem Herzen. Jeder weiß wie…

[Stille]

Bitte betet weiter für mich, denn auch ich mache meine Fehler und muss Buße tun. Vielen Dank!

Gott, unser Vater, schaue auf unser Herz; Gott, unser Vater, der uns liebt, schenke uns seine Kraft, seine Geduld, seine väterliche Zärtlichkeit und segne uns. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. – Und vergesst nicht, für mich zu beten! Danke.

 



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