ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
BEIM INTERNATIONALEN KARDIOLOGENKONGRESS
Nuova Fiera, Rom
Mittwoch, 31. August 2016
Sehr geehrte Damen und Herren,
guten Tag!
Gerne habe ich die Einladung des Vorstands der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie angenommen, aus Anlass dieses Weltkongresses, an dem Kardiologen aus verschiedenen Ländern teilnehmen, hier bei Ihnen zu sein. Ein besonderer Dank gilt Prof. Fausto Pinto für seine Begrüßungsworte. In der Person des Präsidenten möchte ich Ihnen allen danken für Ihr wissenschaftliches Engagement in diesen Tagen der Studien und des Austauschs – Austausch, Auseinandersetzung ist sehr wichtig! –, aber ganz besonders für den hingebungsvollen Einsatz für so viele Kranke. Es ist eine Herausforderung, sich mit jedem einzelnen Kranken auseinanderzusetzen. Sie sind in der Behandlung des Herzens tätig. Wie reich ist die Symbolik, die doch dieses Wort birgt, und wie viele Erwartungen werden in dieses menschliche Organ gesetzt! Durch Ihre Hände geht das pulsierende Zentrum des menschlichen Leibes, daher ist Ihre Verantwortung sehr groß! Ich bin sicher, dass Sie sich diesem Buch des Lebens, das noch viele unentdeckte Seiten enthält, mit Achtung und Ehrfurcht nähern.
Das kirchliche Lehramt hat stets die hohe Bedeutung der wissenschaftlichen Forschung für Leben und Gesundheit der Menschen betont. Auch heute begleitet die Kirche Sie nicht nur auf diesem so schwierigen Weg, sondern fördert ihn und möchte Sie unterstützen, weil sie versteht, dass alles, was dem effektiven Wohl der menschlichen Person gewidmet wird, stets ein Handeln ist, das von Gott kommt. Die Natur in ihrer ganzen Komplexität und auch der menschliche Geist sind von Gott erschaffen. Der Wissenschaftler kann und muss sie untersuchen, denn er weiß, dass der Fortschritt der philosophischen und empirischen Wissenschaften sowie der praktischen Kenntnisse, die dem Schwächsten und dem Kranken dienen, ein wichtiger Dienst ist, der sich in den Plan Gottes einfügt. Die Offenheit für die Gnade Gottes, die durch den Glauben geschieht, beeinträchtigt die Vernunft nicht, sondern drängt sie vielmehr voranzugehen zu einer umfassenderen und für die Menschheit nützlichen Kenntnis der Wahrheit.
Doch wir wissen, dass auch der Wissenschaftler bei seiner Entdeckung nie neutral ist. Er bringt seine Geschichte, seine Lebens- und Denkweise mit. Für jeden besteht die Notwendigkeit, eine Art Läuterung zu durchlaufen, die dazu führt, mit größerer Intensität auf das Wesen der Dinge zu blicken, während sie die Giftstoffe entfernt, die die Vernunft bei ihrer Suche nach Wahrheit und Gewissheit vergiften. Denn wir können nicht bestreiten, dass das Wissen – und auch die präziseste wissenschaftliche Kenntnis – Fortschritte machen muss, indem es Fragen stellt und Antworten findet in Bezug auf den Ursprung, den Sinn und das Ziel der Wirklichkeit, einschließlich des Menschen. Dennoch reichen Naturwissenschaft und Physik allein nicht aus, um das Geheimnis zu verstehen, das jeder Mensch in sich trägt. Wenn man den Menschen in seiner Ganzheit anblickt – erlauben Sie mir, dieses Thema erneut zu unterstreichen –, dann ist es möglich, einen besonderes intensiven Blick für die Ärmsten, die Notleidenden und Ausgegrenzten zu haben, damit auch ihnen Ihre Behandlung zukommt, ebenso wie die Hilfe und Aufmerksamkeit der öffentlichen und privaten Strukturen des Gesundheitswesens. Wir müssen kämpfen, damit es in dieser Wegwerfkultur, die propagiert wird, keine »Ausgeschlossenen« gibt.
Mit Ihrer wertvollen Tätigkeit tragen Sie dazu bei, den kranken Leib zu heilen, und haben gleichzeitig die Möglichkeit festzustellen, dass es in die Natur hineingelegte Gesetze gibt, die niemand antasten darf, sondern die man nur »erkennen, gebrauchen und gestalten« kann, damit das Leben immer mehr dem Willen des Schöpfers entspricht (vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Konstitution Gaudium et spes, 36). Daher ist es wichtig, dass der Wissenschaftler nicht der Versuchung erliegt, die Wahrheit niederzuhalten (vgl. Röm 1,18), wenn er dem großen Geheimnis des menschlichen Lebens gegenübersteht. Erneut bringe ich meine Wertschätzung für Ihre Arbeit zum Ausdruck – auch ich habe mich den Händen von einem von Ihnen anvertraut – und bitte den Herrn, die Forschung und medizinische Pflege zu segnen, damit allen Schmerzlinderung, eine bessere Lebensqualität und eine größeres Gefühl der Hoffnung zuteil wird. Und auch jenes alltägliches Ringen zu segnen, damit es keine vom menschlichen Leben und von der Fülle des menschlichen Lebens »Ausgegrenzten« gibt. Vielen Dank.
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