APOSTOLISCHE REISE VON PAPST FRANZISKUS NACH MYANMAR UND BANGLADESCH
(26. NOVEMBER - 2. DEZEMBER 2017)
BEGEGNUNG MIT DEN BISCHÖFEN BANGLADESCHS
Altersheim für Priester (Dhaka)
Freitag, 1. Dezember 2017
Spontanes Grusswort des Heiligen Vaters
Ansprache von Papst Franziskus
Spontanes Grusswort des Heiligen Vaters
Guten Abend,
ich danke allen Anwesenden, den christlichen Verantwortungsträgern, den Laien, die in der Hingabe für das Reich Gottes arbeiten. Man hat mir nur gesagt, dass ich ein Grußwort sprechen soll. Da kam mir ein Gedanke in den Sinn, den ich mit euch teilen möchte. Der Apostel Paulus hat gesagt, dass er in seinem Inneren die Worte vernahm: »Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!« (1 Kor 9,16) – Weh mir, wenn ich nicht evangelisiere!
Wir versuchen das Evangelium wie eine Gnade zu leben, wie einen Schatz, und wir empfangen ihn umsonst. Wir müssen den Herrn bitten, dass er uns die Gnade schenke, das Gleiche zu empfinden, was Paulus empfunden hat. Dieses Feuer zu spüren, diese Sehnsucht im Herzen zu evangelisieren. Es handelt sich nicht um Proselytenmacherei, nein. Die Kirche, das Reich Gottes, wächst nicht durch die Proselytenmacherei, sie wächst durch das Zeugnis. Es geht darum, mit dem Wort und mit dem Leben den Schatz zu zeigen, der uns geschenkt ist. Und dies ist die Weise zu evangelisieren: Dass ich so lebe, dieses Wort lebe und dass es die anderen sehen; aber das ist keine Proselytenmacherei.
Ich danke euch für das, was ihr tut. Ich danke euch für euren Einsatz. Ich danke euch, das ihr das Geschenk sichtbar macht, das Gott uns gegeben hat.
Und ich wage es, an euch eine Bitte zu richten: Bewahrt den Schatz, den Gott uns im Evangelium geschenkt hat. Der beste Weg, ihn zu bewahren, ist die Gnade Gottes. Ich bitte euch darum, dass ihr viel betet, dass ihr oft darum betet, damit diese Gnade komme und für euch den Schatz hüte.
Gehen wir weiter voran, und lassen wir den Schatz sichtbar werden, den Gott uns unverdient geschenkt hat. Wir müssen ihn den anderen bringen, ohne etwas dafür zu erwarten. Nun wollen wir als Brüder und Schwestern alle zusammen füreinander um diese Gnade bitten, indem wir das Gebet sprechen, das Jesus uns gelehrt hat.
[Vater unser]
Der Herr segne euch und behüte euch. Er lasse sein Angesicht über euch leuchten und sei euch gnädig. Er wende sein Angesicht euch zu und schenke euch seine Gnade. Amen.
Vergesst nicht, für mich zu beten.
ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
Eminenz,
liebe Brüder im Bischofsamt,
wie gut ist es für uns, beisammen zu sein! Ich danke Kardinal Patrick [D’Rozario] für seine einleitenden Worte, mit denen er die verschiedenen spirituellen und pastoralen Initiativen der Kirche in Bangladesch vorgestellt hat. Ich habe besonders seinen Verweis auf den weitblickenden Pastoralplan von 1985 geschätzt, welcher die biblischen Prinzipien und Prioritäten unterstreicht, die das Leben und die Sendung der kirchlichen Gemeinschaft in diesem jungen Land geleitet haben. Meine persönliche Erfahrung von Aparecida, wo die Mission des ganzen Kontinents Südamerika angestoßen wurde, hat mich von der Fruchtbarkeit solcher Pläne überzeugt, die das gesamte Volk Gottes in einem ständigen Unterscheidungs- und Handlungsprozess miteinbeziehen.
Mir gefällt auch die Dauer dieses Pastoralplans. Eine Krankheit der Pastoralpläne ist nämlich, dass sie jung sterben. Doch dieser ist lebendig seit 1985 – Kompliment! Glückwunsch! Man sieht, dass er gut gemacht wurde, dass er die Wirklichkeit des Landes und die pastoralen Bedürfnisse widerspiegelt. Und er spiegelt auch die Ausdauer der Bischöfe wider.
Die Gemeinschaft war das Herzstück des Pastoralplans und inspiriert den missionarischen Einsatz, der die Kirche in Bangladesch auszeichnet, weiterhin. Eure bischöfliche Leitung selbst ist traditionell vom Geist der Kollegialität und der gegenseitigen Unterstützung gekennzeichnet. Das ist großartig! Dieser Geist kollegialer Zuneigung wird von euren Priestern geteilt und durch sie hat er sich in den Pfarreien, den Gemeinschaften und den vielfältigen Apostolaten eurer Ortskirchen verbreitet. Er findet in der Ernsthaftigkeit Ausdruck, mit der ihr euch in euren Diözesen den pastoralen Visitationen widmet und konkretes Interesse für das Wohl eurer Bevölkerung zeigt. Ich bitte euch, diesen Dienst der Anwesenheit weiterzuführen. Ich möchte unterstreichen, was das heißt: nicht bloß sich blicken lassen – man kann sich auch mithilfe des Fernsehens blicken lassen –, sondern anwesend sein, wie Gott bei uns ist. Er wurde zur Nähe, er machte sich zum Nächsten in der Menschwerdung des Wortes, in der Erniedrigung, der Erniedrigung des Vaters, der seinen Sohn sandte, um einer von uns zu werden. So gefällt mir, dass ihr diesen Ausdruck geprägt habt: „Dienst der Anwesenheit“. Der Bischof ist jemand, der anwesend ist, der nahe ist und Nächster ist. Und zwar immer. Ich wiederhole: Ich bitte euch, diesen Dienst der Anwesenheit weiterzuführen; die Gemeinschaft kann nur dann enger werden, wenn ihr euch mit euren Priestern verbindet, die eure Brüder, Söhne und Mitarbeiter im Weinberg des Herrn sind, und mit den Ordensmännern und -frauen, die einen grundlegenden Beitrag zum katholischen Leben in diesem Land leisten.
Ein Wort möchte ich in Bezug auf die Ordensleute betonen. Wir sind gewohnt zu sagen: Ja, es gibt zwei Wege der Heiligung in der Kirche – den Weg als Priester und den Weg als Laien. Aber die Ordensschwestern, was sind sie? Laiinnen? Nein. Bitte, man muss die Idee wachsen lassen, dass es einen dritten Weg der Heiligung gibt, den Weg des geweihten Lebens; dass es nicht ein Adjektiv ist: „Das ist ein geweihter Laie, eine geweihte Laiin.“ Es ist ein Substantiv: „Das ist ein Geweihter, das ist eine Geweihte“, so wie wir sagen: „das ist ein Laie oder eine Laiin“, und „das ist ein Priester“. Das ist wichtig.
Zugleich bitte ich euch, auch den Laien gegenüber größere Nähe zu zeigen. Sie müssen wachsen. Ihre wirksame Teilnahme am Leben eurer Teilkirchen muss gefördert werden, auch durch kanonische Strukturen, die vorsehen, dass ihre Stimmen gehört und ihre Erfahrungen gewürdigt werden. Erkennt die Charismen der Laien, Männer und Frauen und bringt sie zur Geltung. Ermutigt sie, ihre Gaben in den Dienst der Kirche und der gesamten Gesellschaft zu stellen. Ich denke hier an die zahlreichen eifrigen Katecheten in diesem Land – die Katecheten sind die Säulen der Evangelisierung! –, deren Apostolat für das Wachstum des Glaubens und der christlichen Bildung der neuen Generationen wesentlich ist. Diese sind wahre Missionare und Gebetsvorsteher, vor allem in den am weitesten abgelegenen Gebieten. Achtet auf ihre geistlichen Bedürfnisse und auf ihre ständige Glaubensbildung. Die Katecheten. Aber auch die Laien, die uns helfen und uns nahe sind, die Räte: die Pastoralräte, die Vermögensverwaltungsräte. In einer Versammlung vor sechs Monaten habe ich sagen hören, dass es vielleicht in etwas mehr als die Hälfte der Diözesen, die Hälfte oder etwas mehr, die beiden vom Kirchenrecht vorgesehenen Räte gibt, den Pastoralrat und den Vermögensverwaltungsrat. Und die andere Hälfte? Das darf nicht sein. Es ist nicht nur ein Gesetz, es ist nicht nur eine Hilfe, es ist der Raum für die Laien.
In diesen Monaten der Vorbereitung auf die nächste Versammlung der Bischofssynode sind wir alle aufgerufen, darüber nachzudenken, wie wir unsere Jugendlichen besser an der Freude, der Wahrheit und der Schönheit unseres Glaubens teilhaben lassen können. Bangladesch ist mit Priesterberufungen – wir haben es heute gesehen! – und Ordensberufungen gesegnet; es ist wichtig, sicherzustellen, dass die Kandidaten gut darauf vorbereitet werden, die Reichtümer des Glaubens weiterzugeben, besonders an ihre Altersgenossen. Helft ihnen in einem gemeinschaftlichen, generationsverbindenden Geist, die von anderen begonnene Aufgabe mit Freude und Begeisterung in die Hand zu nehmen, im Wissen, dass sie selbst eines Tages gerufen sind, sie ihrerseits weiterzugeben. Diese innere Haltung, das Erbe zu empfangen, es wachsen zu lassen und weiterzugeben, sie ist der apostolische Geist eines Priesters. Die jungen Menschen sollen wissen, dass die Welt nicht mit ihnen beginnt, dass sie die Wurzeln suchen müssen, die historischen und religiösen Wurzeln suchen müssen … Diese Wurzeln wachsen lassen und die Früchte weitergeben müssen. Lehrt die Jugendlichen, nicht entwurzelt zu sein; lehrt sie, mit den Alten zu sprechen. Als ich hier [in die erzbischöfliche Residenz] eintrat, waren da einige Seminaristen aus dem Vorseminar. Ich hätte ihnen – en passant – zwei Fragen stellen sollen, aber ich habe nur eine gestellt, die erste, die selbstverständlichere: „Spielt ihr Fußball?“ Alle: „Ja!“ Die zweite hingegen war: „Besucht ihr eure Opas, die alten Priester? Um ihre Lebensgeschichten zu hören, die Geschichten ihres Apostolats? Die Ausbilder im Seminar müssen die jungen Seminaristen dazu heranführen, den alten Priestern zuzuhören. Dort sind die Wurzeln, dort ist die Weisheit der Kirche.
Eine beachtliche soziale Tätigkeit der Kirche in Bangladesch ist auf die Unterstützung der Familien und insbesondere auf die Förderung der Frauen ausgerichtet. Die Bevölkerung dieser Nation ist für ihren Familiensinn, für ihre Gastfreundschaft, für die Achtung gegenüber Eltern und Großeltern und für die Sorge um Alte, Kranke und Wehrlose bekannt. Diese Werte werden vom Evangelium Jesu Christi bestätigt und veredelt. Ein besonderer Dank geht an all diejenigen, die still die christlichen Familien in ihrer Sendung unterstützen, täglich Zeugnis für die versöhnende Liebe Christi abzulegen und seine Erlösungsmacht bekannt zu machen. Wie Ecclesia in Asia herausstellt, ist die Familie »nicht lediglich Objekt kirchlicher Seelsorge, sondern auch einer der wirksamsten Träger der Evangelisierung« (Nr. 46).
Ein wichtiges Ziel des Pastoralplans, das sich als wahrhaft prophetisch erwiesen hat, ist die Option für die Armen. Die katholische Gemeinschaft in Bangladesch kann auf ihre Geschichte des Dienstes an den Armen, vor allem in den am meisten abgelegenen Gegenden und bei den Stammesgemeinschaften, stolz sein; dieser Dienst wird durch ihre Apostolate im Erziehungsbereich, ihre Krankenhäuser, Kliniken und Gesundheitszentren und vielfältige karitative Werke täglich weitergeführt. Und doch sehen wir, gerade im Licht der gegenwärtigen Flüchtlingskrise, wie viel mehr noch getan werden muss! Der Ansporn für eure Nothilfe muss immer seelsorgliche Liebe sein, welche die menschlichen Wunden schnell erkennt und großzügig auf jeden Einzelnen persönlich eingeht. Im Bemühen, eine »Kultur der Barmherzigkeit« (vgl. Misericordia et Misera, 20) zu schaffen, bei dieser Arbeit zeigen eure Ortskirchen ihre Option für die Armen auf, stärken ihre Verkündigung der unendlichen Barmherzigkeit des Vaters und tragen in nicht geringem Maß zur ganzheitlichen Entwicklung ihrer Heimat bei.
Ein wichtiger Augenblick meines Pastoralbesuchs in Bangladesch ist die interreligiöse und ökumenische Versammlung, die unmittelbar nach unserem Treffen stattfinden wird. Eure Nation ist ein Land, in dem die ethnische Verschiedenheit die Verschiedenheit der religiösen Traditionen widerspiegelt. Der Einsatz der Kirche für die interreligiöse Verständigung durch Seminare und Lernprogramme wie auch durch persönliche Kontakte und Einladungen, trägt zur Verbreitung von gutem Willen und Einvernehmen bei. Bemüht euch unablässig, Brücken zu bauen und den Dialog zu fördern; das erleichtert nicht nur die Verständigung zwischen verschiedenen religiösen Gruppen, sondern weckt auch neu die geistlichen Kräfte, die für die Aufbauarbeit des Landes in Einheit, Gerechtigkeit und Frieden nötig sind.
Wenn die religiösen Oberhäupter sich öffentlich mit einer einzigen Stimme gegen Gewalt unter dem Deckmantel der Religion aussprechen und danach trachten, die Kultur des Konflikts durch die Kultur der Begegnung zu ersetzen, schöpfen sie dabei aus den tiefsten geistlichen Wurzeln ihrer verschiedenen Traditionen. Sie leisten weiterhin einen unschätzbaren Dienst für die Zukunft ihrer Länder und unserer Welt, indem sie die jungen Menschen den Weg der Gerechtigkeit lehren: Es ist »erforderlich, Generationen zu begleiten und heranreifen zu lassen, die auf die brandstiftende Logik des Bösen mit dem geduldigen Wachstum des Guten antworten« (Ansprache an die Teilnehmer der Internationalen Friedenskonferenz, Al-Azhar, Kairo, 28. April 2017).
Liebe Brüder im Bischofsamt, ich bin dem Herrn dankbar für diese Momente des Gesprächs und des brüderlichen Teilens. Ich bin auch dankbar, dass diese Apostolische Reise, die mich nach Bangladesch geführt hat, mir erlaubt hat, Zeuge der Lebendigkeit und des missionarischen Eifers der Kirche in diesem Land zu sein. Wenn wir die Freuden und Schwierigkeiten eurer örtlichen Gemeinschaften vor den Herrn bringen, bitten wir zusammen um eine erneute Ausgießung des Heiligen Geistes, damit er uns die Kraft verleihe, »die Neuheit des Evangeliums mit Freimut (parrhesía) zu verkünden, mit lauter Stimme, zu allen Zeiten und an allen Orten, auch gegen den Strom« (Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 259). Mögen die Priester, die Ordensleute, die gottgeweihten Männer und Frauen und die eurer pastoralen Sorge anvertrauten Gläubigen immer neue Kraft für ihr Bemühen finden, »die Frohe Botschaft nicht nur mit Worten zu verkünden, sondern vor allem mit einem Leben, das in der Gegenwart Gottes verwandelt wurde« (vgl. ebd.). Euch allen erteile ich von ganzem Herzen meinen Segen. Bitte, betet für mich. Danke.
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