ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE TEILNEHMER EINES KURSES, DEN DAS GERICHT DER RÖMISCHEN ROTA
VERANSTALTET HAT
Clementina-Saal
Samstag, 25. November 2017
Liebe Brüder und Schwestern,
es freut mich, euch heute zum Abschluss des vom Gericht der Rota Romana veranstalteten Fortbildungskurses für Kleriker und Laien zum Thema Der neue Eheprozess und das Verfahren Super Rato zu begegnen. Ich danke dem Dekan, Prälat Pinto, für die Worte, die er an mich gerichtet hat. Der Kurs, der hier in Rom stattgefunden hat, wie auch jene, die man in anderen Diözesen abhält, sind lobenswerte Initiativen, zu denen ich ermutige, weil sie dazu beitragen, eine angemessene Kenntnis und einen Erfahrungsaustausch auf den verschiedenen kirchlichen Ebenen über die wichtigen kanonischen Verfahren zu erreichen.
Es ist insbesondere notwendig, den letzten beiden Motu proprio „Mitis Iudex Dominus Iesus“ und „Mitis et misericors Iesus“ große Aufmerksamkeit und eine angemessene Analyse zu widmen, um die neuen Verfahren anzuwenden, die von ihnen festgelegt werden. Diese beiden Verfügungen sind aus einem synodalen Kontext hervorgegangen, sie sind Ausdruck einer synodalen Methode, sie sind das Endresultat eines gewissenhaften synodalen Wegs. Angesichts der heikleren Fragen, die den Evangelisierungsauftrag und das Heil der Seelen betreffen, ist es wichtig, dass die Kirche immer mehr die synodale Praxis der ersten Gemeinde von Jerusalem wiedererlangt, wo Petrus zusammen mit den anderen Aposteln und der ganzen Gemeinde unter dem Wirken des Heiligen Geistes danach suchten, entsprechend der Weisung des Herrn Jesus zu handeln.
Dies ist auch in den Synodenversammlungen über die Familie geschehen, in denen die Vertreter des Weltepiskopats im Geist der Gemeinschaft und Brüderlichkeit zusammengekommen sind, um die Stimme der Gemeinschaft anzuhören, um zu diskutieren, nachzudenken und den Akt der Unterscheidung anzuwenden. Die Synode hatte den Zweck, die christliche Familie und Ehe zum größeren Wohl der Eheleute, die dem in Christus geschlossenen Bund treu sind, zu fördern und zu verteidigen. Sie musste auch die Lage und die Entwicklung der Familie in der heutigen Welt, die Ehevorbereitung, die Weisen zur Unterstützung derjenigen, die aufgrund des Scheiterns ihrer Ehe leiden, die Kindererziehung und andere Themen untersuchen.
Wenn ihr in eure Gemeinschaften zurückkehrt, bemüht euch, Missionare und Zeugen des synodalen Geistes zu sein, der an ihrem Ursprung steht, wie auch des pastoralen Zuspruchs, der das Ziel dieser neuen Ehegesetzgebung ist, um den Glauben des heiligen Gottesvolkes durch die Liebe zu bekräftigen. Der synodale Geist und der pastorale Zuspruch mögen Stil eures Handelns in der Kirche sein, vor allem in diesem so empfindlichen Bereich der Familie, die auf der Suche nach der Wahrheit über den ehelichen Stand der Ehepartner ist. Mit dieser Haltung soll ein jeder von euch loyaler Mitarbeiter seines Bischofs sein, dem die neuen Normen eine entscheidende Rolle zuerkennen, vor allem im kürzeren Prozess, insofern er „geborener Richter“ der Teilkirche ist.
In eurem Dienst seid ihr aufgerufen, den Gläubigen in ihrer Einsamkeit und ihrem Leiden nahe zu sein, die von der kirchlichen Justiz die kompetente und tatkräftige Hilfe erwarten, um ihren Gewissensfrieden wiederzufinden und den Willen Gottes hinsichtlich der Wiederzulassung zur Eucharistie zu erkennen. Von daher auch die Notwendigkeit und der Wert des Kurses, an dem ihr teilgenommen habt – und ich hoffe, dass davon weitere organisiert werden –, um einen richtigen Zugang an die Frage und ein immer breiteres und ernsthaftes Studium des neuen Eheprozesses zu fördern. Dies ist Ausdruck der Kirche, die im Stande ist, den auf verschiedene Weise vom Leben Verwundeten aufzunehmen und zu pflegen, und zugleich ist es Aufruf zum Einsatz für die Heiligkeit des Ehebandes.
Um die Anwendung des neuen Gesetzes zum Eheprozess zwei Jahre nach der Promulgation zur Ursache und zum Grund des Heils und des Friedens für die große Anzahl der in ihrer ehelichen Situation Verwundeten zu machen, habe ich kraft meines Amtes als Bischof von Rom und Nachfolger Petri beschlossen, endgültig einige grundlegende Aspekte der beiden Motu proprio zu klären, insbesondere die Figur des Diözesanbischofs als persönlicher Einzelrichter im kürzeren Prozess.
Schon immer ist der Diözesanbischof Iudex unum et idem cum Vicario iudiciali (ein und derselbe Richter mit dem Gerichtsvikar); aber da dieses Prinzip auf eine Weise interpretiert wird, die die persönliche Ausübung durch den Diözesanbischof faktisch ausschließt, indem alles an die Gerichte delegiert wird, lege ich fest, was ich in der persönlichen Ausübung der richterlichen Funktion des Diözesanbischofs als entscheidend und ausschließlich ihm zukommend erachte:
1. Der Diözesanbischof ist kraft seines pastoralen Amtes im kürzeren Prozess persönlicher Einzelrichter.
2. Somit ist die Figur des Diözesanbischofs als Richter der tragende Pfeiler, das konstitutive Prinzip und das unterscheidende Element des gesamten von den zwei Motu proprio eingeführten kürzeren Prozesses.
3. Im kürzeren Prozess sind zwei untrennbare Bedingungen ad validitatem erforderlich: der Episkopat und das Vorstehen einer diözesanen Gemeinschaft von Gläubigen (vgl. can. 381 § 2). Wenn eine dieser zwei Bedingungen fehlt, kann der kürzere Prozess nicht stattfinden. Der Antrag muss im ordentlichen Verfahrensweg behandelt werden.
4. Die ausschließliche und persönliche Kompetenz des Diözesanbischofs, die zu den Grundkriterien des kürzeren Prozesses gehört, nimmt direkt auf die Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils Bezug, die uns daran erinnert, dass nur der Bischof in der Weihe schon die Fülle der gesamten Gewalt innehat, die durch die missio canonica zu einer zum Vollzug freigegebenen Vollmacht wird.
5. Der kürzere Prozess ist nicht eine Option, die der Diözesanbischof wählen kann, sondern er ist eine Verpflichtung, die ihm aus seiner Weihe und der erhaltenen missio erwächst. Er ist in den drei Phasen des kürzeren Prozesses der ausschließlich Zuständige:
- der Antrag wird immer an den Diözesanbischof gerichtet;
- das Verfahren soll der Bischof, wie ich bereits in der Ansprache vom 12. März letzten Jahres an den Kurs der Rota Romana deutlich gemacht habe, immer mit der Unterstützung des Gerichtsvikars oder eines anderen Untersuchungsrichters, der auch Laie sein kann, vom Beisitzer und immer unter Anwesenheit des Ehebandverteidigers. Wenn der Bischof über keine Kleriker oder Laienkanonisten verfügt, wird die Liebe eines Bischofs in der Nähe, die das bischöfliche Amt kennzeichnet, ihm für die notwendige Zeit zu Hilfe kommen. Ferner erinnere ich daran, dass der kürzere Prozess gewöhnlich in einer einzigen Sitzung abgeschlossen werden muss, wobei, über die Zustimmung der beiden Ehepartner hinaus, als unumgängliche Bedingung die absolute Evidenz der Tatsachen verlangt ist, die die mutmaßliche Nichtigkeit der Ehe beweisen.
- die Entscheidung, die vor Gott zu fällen ist, ist immer und alleine die des Diözesanbischofs.
6. Den gesamten kürzeren Prozess dem interdiözesanen Gericht (sowohl eines Gerichts in der Nähe als auch von mehreren Diözesen) würde dazu führen, die Figur des Bischofs als Vater, Haupt und Richter seiner Gläubigen zu entstellen und zum bloßen Unterzeichner des Urteils herabzusetzen.
7. Die Barmherzigkeit, eines der Grundkriterien, die das Heil gewährleisten, verlangt, dass der Diözesanbischof sobald wie möglich den kürzeren Prozess ausführt; für den Fall, dass er sich nicht vorbereitet sieht, um ihn durchzuführen, muss er die Sache auf den ordentlichen Verfahrensweg verweisen, der in jedem Fall mit der nötigen Sorgfalt geführt werden muss.
8. Die Nähe und die Kostenfreiheit sind, wie ich mehrfach bekräftigt habe, die zwei Perlen, derer die Armen bedürfen, die die Kirche über alles lieben muss.
9. Hinsichtlich der Zuständigkeit bezüglich der Annahme einer Berufung gegen ein affirmatives Urteil des Metropoliten oder des im neuen can. 1687 angegebenen Bischofs im kürzeren Prozess, wird klargestellt, dass das neue Gesetz dem Dekan der Rota eine neue und somit für die Ablehnung oder Annahme der Berufung konstitutive Entscheidungsvollmacht verliehen hat.
Schließlich möchte ich mit aller Klarheit bekräftigen, dass dies geschieht, ohne die Erlaubnis oder Bewilligung einer anderen Institution oder der Apostolischen Signatur zu erbitten.
Liebe Brüder und Schwestern, ich wünsche euch für dieses Studium und den kirchlichen Dienst eines jeden von euch alles Gute. Der Herr segne euch und die Gottesmutter schütze euch. Und bitte vergesst nicht für mich zu beten. Danke.
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