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ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE MITGLIEDER DER STIFTUNG
"GRAVISSIMUM EDUCATIONIS"

Konsistoriensaal
Montag, 25. Juni 2018

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Liebe Freunde!

Euch alle, die ihr an der Begegnung »Bilden heißt verändern« teilnehmt, heiße ich herzlich willkommen. Ich danke Kardinal Versaldi für seine einführenden Worte und danke einem jeden von euch, die ihr den Reichtum der Erfahrungen der verschiedenen Herkunfts- und Tätigkeitsbereiche einbringt.

Wie ihr wisst, wurde diese Stiftung am 28. Oktober 2015 anlässlich des 50. Jahrestags der Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils Gravissimum educationis von mir errichtet, indem ich eine Einladung der Kongregation für das Katholische Bildungswesen aufgegriffen habe. Durch diese Einrichtung erneuert die Kirche das Bemühen um die katholische Bildung im Einklang mit den historischen Veränderungen unserer Zeit. Denn die Stiftung nimmt eine Anregung auf, die bereits in der Konzilserklärung enthalten ist, deren Namen sie trägt: die Zusammenarbeit zwischen den schulischen und universitären Einrichtungen, um sich den Herausforderungen der Gegenwart besser zu stellen (vgl. Nr. 12). Diese Empfehlung des Konzils ist im Laufe der Zeit herangereift und kommt auch in der kürzlich veröffentlichten Apostolischen Konstitution Veritatis gaudium über die kirchlichen Universitäten und Fakultäten zum Ausdruck, als »Notwendigkeit, ein ›Netzwerk‹ zwischen all den verschiedenen Einrichtungen zu bilden, die auf der ganzen Welt die kirchlichen Studien pflegen und fördern« (Einleitung, 4d) – in weiterem Sinne auch zwischen den katholischen Bildungseinrichtungen. Nur wenn man die Bildung verändert, kann man die Welt verändern. Um das zu tun, möchte ich euch einige Vorschläge machen. 1. Vor allem ist es wichtig, ein »Netzwerk zu bilden«. Ein Netzwerk bilden bedeutet, die schulischen und universitären Einrichtungen zusammenzulegen, um die Bildungs- und Forschungsinitiative zu verstärken und sich die Stärken der anderen anzueignen, um auf intellektueller und kultureller Ebene ertragreicher zu sein.

Ein Netzwerk bilden bedeutet auch, die Kenntnisse, die Wissenschaft und die Fachrichtungen zusammenzulegen, um sich den schwierigen Herausforderungen durch Inter- und Transdisziplinarität zu stellen, wie es in Veritatis gaudium angeregt wird (vgl. Nr. 4c). Ein Netzwerk bilden bedeutet, Orte der Begegnung und des Dialogs innerhalb der Bildungseinrichtungen zu schaffen und sie von außen her zu fördern, mit Bürgern aus anderen Kulturen, anderen Traditionen, verschiedenen Religionen, damit der christliche Humanismus die allgemeine Verfassung der heutigen Menschheit betrachten kann.

Ein Netzwerk bilden bedeutet auch, die Schule zu einer Erziehungsgemeinschaft zu machen, in der Lehrkörper und Schüler nicht nur durch einen Unterrichtsplan verbunden sind, sondern durch ein Programm des Lebens, um zur Gegenseitigkeit zwischen verschiedenen Generationen zu erziehen. Und das ist sehr wichtig, um nicht die Wurzeln zu verlieren. Außerdem sind die Herausforderungen, vor denen der heutige Mensch steht, global – in einem umfassenderen Sinn als man oft meint. Die katholische Erziehung ist nicht darauf beschränkt, den Verstand zu einem weiteren Blick zu erziehen, der in der Lage ist, auch die fernsten Wirklichkeiten einzubeziehen. Sie ist sich bewusst, dass die moralische Verantwortung des heutigen Menschen sich nicht nur über den Raum erstreckt, sondern auch durch die Zeit, und dass die heutigen Entscheidungen sich auf die zukünftigen Generationen auswirken.

2. Eine weitere Erwartung, auf die die Bildung antworten muss und auf die ich im Apostolischen Schreiben Evangelii gaudium verwiesen habe, ist, »uns die Hoffnung nicht nehmen zu lassen« (vgl. Nr. 86). Mit dieser Aufforderung wollte ich die Männer und Frauen unserer Zeit ermutigen, dem gesellschaftlichen Wandel positiv zu begegnen und in die Wirklichkeit einzutauchen mit dem Licht, das von der Verheißung des christlichen Heils ausstrahlt. Wir sind aufgerufen, nicht die Hoffnung zu verlieren, weil wir der globalen Welt von heute Hoffnung schenken müssen. »Die Hoffnung zu globalisieren« und »die Hoffnungen der Globalisierung zu stützen« sind grundlegende Aufgaben in der Sendung der katholischen Bildung, wie es im kürzlich veröffentlichen Dokument Erziehung zum solidarischen Humanismus der Kongregation für das katholische Bildungswesen heißt (Nr. 18-19). Eine Globalisierung ohne Hoffnung und ohne Weitblick ist dem Einfluss der wirtschaftlichen Interessen ausgesetzt, die oft fern sind von einem rechten Verständnis des Gemeinwohls, und erzeugt leicht soziale Spannungen, wirtschaftliche Konflikte, Machtmissbrauch.

Wir müssen der globalen Welt eine Seele geben, durch eine intellektuelle und moralische Bildung, die die guten Dinge, die die Globalisierung mit sich bringt, zu fördern und die negativen zu korrigieren versteht. Es handelt sich um wichtige Ziele, die durch die Entwicklung der wissenschaftlichen Forschung erreicht werden können, die den Universitäten anvertraut und auch in der Sendung der Stiftung »Gravissimum educationis« vorhanden ist: eine qualitativ hochwertige Forschung, die einen Horizont vor Augen hat, der reich ist an Herausforderungen. Einige von diesen, die ich in der Enzyklika Laudato sierwähnt habe, nehmen Bezug auf die Prozesse der globalen wechselseitigen Abhängigkeit, die sich einerseits als positive historische Kraft darstellt, weil sie einen größeren Zusammenhalt zwischen den Menschen anzeigt, andererseits aber Unrecht hervorruft und die enge Beziehung zwischen menschlichem Elend und den ökologischen Problemen des Planeten aufzeigt.

Die Antwort liegt in der Entwicklung und in der Suche nach einer ganzheitlichen Ökologie. Ich möchte noch einmal die wirtschaftliche Herausforderung hervorheben, die auf der Suche nach besseren Entwicklungsmodellen gründet, die einem authentischeren Verständnis von Glück angemessen und in der Lage sind, gewisse perverse Konsum- und Produktionsmechanismen zu korrigieren. Und außerdem die politische Herausforderung: Die Macht der Technologie wird immer größer. Eine ihrer Auswirkungen ist die Verbreitung der Wegwerfkultur, die Dinge und Menschen verschlingt, ohne jegliche Unterscheidung. Diese Macht bringt eine Anthropologie mit sich, die auf einer Vorstellung gründet, die den Menschen als Ausbeuter begreift und die Welt, in der er lebt, als Ressource, die nach Belieben ausgebeutet werden kann. Den Wissenschaftlern und Forschern, die mit der Stiftung »Gravissimum educationis« zusammenarbeiten, fehlt es gewiss nicht an Arbeit! 3. Die Arbeit, die euch erwartet, mit eurer Unterstützung für innovative Bildungsprojekte, muss, um ertragreich zu sein, drei wesentlichen Kriterien gehorchen.

Vor allem der Identität. Diese verlangt Konsequenz und Kontinuität gegenüber der Sendung der Schulen, der Universitäten und der Forschungszentren, die aus der Kirche heraus entstanden sind oder von ihr gefördert oder begleitet werden und die allen offenstehen. Diese Werte sind grundlegend, um in den von der christlichen Zivilisation und von der Evangelisierungssendung der Kirche bereiteten Boden eingepflanzt zu werden. Dadurch könnt ihr dazu beitragen, die Wege zu weisen, die eingeschlagen werden müssen, um aktuelle Antworten auf die schwierigen Fragen der Gegenwart zu geben, mit einem bevorzugten Blick auf die Notleidenden. Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die Qualität. Sie ist das sichere Leuchtfeuer, um jede Studien-, Forschungs- und Bildungsinitiative zu erleuchten. Sie ist notwendig, um jene »interdisziplinären Leistungszentren« zu verwirklichen, die von der Konstitution Veritatis gaudium (Nr. 5) empfohlen werden und die die Stiftung »Gravissimum educationis« zu unterstützen strebt.Außerdem darf bei eurer Arbeit das Ziel des Gemeinwohls nicht fehlen. Das Gemeinwohl ist schwer zu definieren in unseren Gesellschaften, die vom Zusammenleben von Bürgern, Gruppen und Völkern unterschiedlicher Kulturen, Traditionen und Glaubensrichtungen geprägt sind. Man muss die Horizonte des Gemeinwohls erweitern und alle zur Zugehörigkeit zur Menschheitsfamilie erziehen.

Um eure Sendung zu erfüllen, schafft also die Grundlagen in Übereinstimmung mit der christlichen Identität; stellt die Mittel zur Verfügung, die der Qualität des Studiums und der Forschung entsprechen; verfolgt Ziele in Eintracht mit dem Dienst am Gemeinwohl. Ein theoretisches und praktisches Programm, das durch diese festen Säulen geprägt ist, kann durch die Bildung zum Aufbau einer Zukunft beitragen, in der die Würde des Menschen und die universale Brüderlichkeit die globalen Ressourcen sind, aus denen jeder Bürger der Welt schöpfen kann. Ich danke euch für alles, was ihr durch eure Unterstützung der Stiftung tun könnt, und ich ermutige euch, diese verdienstvolle und wohltätige Sendung fortzusetzen. Auf euch sowie auf eure Kollegen und Angehörigen rufe ich von Herzen den überreichen Segen des Herrn herab. Und bitte vergesst nicht, für mich zu beten. Danke!

 



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