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ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE CHARISMATISCHE FAMILIE DER KAMILLIANER

Clementina-Saal
Montag, 18. März 2019

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Liebe Schwestern und liebe Brüder!
Mit Freude empfange ich euch alle,
die Vertreter der verschiedenen Gruppen innerhalb der Kamillianischen Familie!

Ich begrüße euch sehr herzlich und danke Pater Pessini für seine Worte. Und ich bitte den Herrn, ihm seinen Sinn für Humor zu erhalten: Sie werden nie ein Magengeschwür bekommen! Ihr tragt in liebevoller und großherziger Hingabe beständig Sorge für die Kranken. Damit erfüllt ihr in der Kirche und in der Gesellschaft eine wertvolle Aufgabe an der Seite der Notleidenden. Wenn die Krankheit kommt und Unruhe in unser Leben bringt, es manchmal sogar erschüttert, dann verspüren wir das starke Bedürfnis, einen Bruder oder eine Schwester an unserer Seite zu haben, die mitfühlend und auch fachkundig sind, um uns zu trösten, zu stützen und zu helfen, das kostbare Gut der Gesundheit zurückzugewinnen oder uns zur Schwelle unserer endgültigen Begegnung mit dem Herrn zu begleiten!

Die ganze Kirche in ihrer Gesamtheit hat von ihrem Meister und Herrn das Gebot empfangen, das Reich Gottes zu verkünden und die Kranken gesund zu machen (vgl. Lk 9,2), in Nachahmung von ihm, dem guten Hirten, dem barmherzigen Samariter, der auf dieser Erde »umherzog, Gutes tat und alle heilte die in der Gewalt des Teufels waren« (Apg 10,38). Insbesondere aber dem heiligen Kamillus von Lellis sowie allen, die seinem Vorbild folgen, hat Gott die Gabe geschenkt, die barmherzige Liebe Christi gegenüber den Kranken aufs Neue zu leben und zu bezeugen. Die Kirche hat es als echtes Charisma des Heiligen Geistes anerkannt. Ihr lebt es auf vorbildliche Weise und füllt es in zweifacher Hinsicht mit Leben: indem ihr den Kranken, insbesondere den Ärmsten, in ihren leiblichen und geistlichen Bedürfnissen unmittelbar beisteht, und indem ihr andere lehrt, wie man ihnen am besten dient, zum Wohl der Kirche und der Menschheit.

Alle Charismen »sind die Geschenke, die uns der Heilige Geist gibt […]. Diese Geschenke sind nicht dazu gegeben, verborgen zu werden, sondern um sie mit anderen zu teilen. Sie sind nicht für den gegeben, der sie empfängt, sondern zum Nutzen des Gottesvolkes. Wenn ein Charisma […] dagegen dazu dient, sich selbst hervorzutun, darf man daran zweifeln, dass es sich um ein echtes Charisma handelt oder dass es treu gelebt wird. Charismen sind besondere Gnaden, die einigen gegeben werden, um vielen anderen Gutes zu tun« (Generalaudienz 6. November 2013; in O.R. dt., Nr. 46, S. 2). Sie haben stets einen transitiven Charakter: Sie sind auf die anderen ausgerichtet. Im Laufe der Jahre habt ihr euch bemüht, euer Charisma mit Treue zu verkörpern und es in eine Vielzahl apostolischer Werke und in pastoralen Dienst zu verwandeln, zum Wohl der leidenden Menschheit auf der ganzen Welt.

In der Spur dieser Sendung, die einige Mitglieder eurer Ordensfamilien in heroischer Form gelebt haben und so Vorbilder der Heiligkeit geworden sind, seid ihr aufgerufen, euren Dienst auf prophetische Weise fortzusetzen. Es geht darum, in die Zukunft zu schauen, offen für die neuen Formen des Apostolats, die der Heilige Geist euch eingibt und die die Zeichen der Zeit und die Bedürfnisse der Welt und der Kirche erfordern. Das große Geschenk, das ihr empfangen habt, ist immer noch aktuell und notwendig auch für unsere Zeit, weil es auf der Liebe gründet, die niemals aufhört (vgl. 1 Kor 13,8). Als lebendiger Teil der Kirche, die gesandt ist, das Evangelium zu verkünden, damit die Menschen »das Leben haben und es in Fülle haben« (Joh 10,10), habt ihr die wunderbare Gelegenheit, dies durch die Gesten der Sorge für das Leben und für die ganzheitliche »salus« zu tun, die auch in unserer Zeit so notwendig sind.

Aus dem anfänglich im heiligen Kamillus erweckten Charisma sind nach und nach verschiedene kirchliche Wirklichkeiten entstanden, die heute eine Konstellation bilden, also eine »charismatische Familie«, die sich aus Ordensmännern, Ordensfrauen, Mitgliedern von Säkularinstituten und gläubigen Laien zusammensetzt. Keine dieser Wirklichkeiten ist allein die einzige Trägerin oder Inhaberin des Charismas, sondern jede empfängt es als Geschenk, setzt es um und aktualisiert es gemäß ihrer eigenen Berufung, in verschiedenen historischen und geographischen Umfeldern. Im Mittelpunkt steht weiterhin das ursprüngliche Charisma, gleichsam eine ewige Quelle des Lichts und der Inspiration, das auf dynamische Weise in den verschiedenen Formen verstanden und verkörpert wird. Jede von ihnen wird den anderen geschenkt in einem gegenseitigen Austausch von Gaben, der alle bereichert, für den gemeinsamen Nutzen und im Hinblick auf die Erfüllung derselben Sendung. Welche ist das? Zu jeder Zeit und an jedem Ort die barmherzige Liebe Christi gegenüber den Kranken zu bezeugen.

Der heilige Kamillus von Lellis, den ihr alle als »Vater« anerkennt, hat in einer Zeit gelebt, in der die Möglichkeit des tätigen Ordenslebens für die Frauen noch nicht herangereift war, sondern nur das beschauliche und monastische Ordensleben. Er hat daher einen nur aus Männern bestehenden Orden gegründet. Dennoch hatte er gut verstanden, dass die Krankenfürsorge auch in den Haltungen durchgeführt werden muss, die typisch sind für das weibliche Herz. So verlangte er von seinen Ordensmännern, »allen Kranken mit jener Hingebung zu dienen, die eine liebevolle Mutter für ihren einzigen kranken Sohn zu haben pflegt« (Regel Nr. 27, 1584: Die ersten vom heiligen Kamillus geschrieben Regeln für den Dienst am Kranken, Essen 2013, S. 3).

Die beiden im 19. Jahrhundert gegründeten weiblichen Kongregationen und die Säkularinstitute, die im vorigen Jahrhundert entstanden sind, haben den Ausdruck des Charismas der Barmherzigkeit gegenüber den Kranken vervollständigt und es mit den ganz besonders weiblichen Eigenschaften der Liebe und der Fürsorge bereichert. Dabei begleitet und führt euch die Jungfrau Maria, Heil der Kranken und Mutter der Geweihten. Von ihr lernen wir, den Notleidenden mit der Zärtlichkeit und Hingabe einer Mutter beizustehen. Ich bleibe etwas bei diesem Wort »Zärtlichkeit «. Es ist ein Wort, das heute aus dem Wörterbuch zu fallen scheint! Wir müssen es wieder aufgreifen und umsetzen! Das Christentum ohne Zärtlichkeit geht nicht. Die Zärtlichkeit ist eine typisch christliche Haltung; sie ist auch das »Mark« unserer Begegnung mit den leidenden Menschen.

Liebe Brüder und Schwestern, ich ermutige euch, unter euch stets die Gemeinschaft zu pflegen, in jenem synodalen Stil, den ich der ganzen Kirche unterbreitet habe: im Hören aufeinander und alle gemeinsam im Hören auf den Heiligen Geist, um den Beitrag wertzuschätzen, den jede einzelne Wirklichkeit zu der einen Familie leistet, und die zahlreichen Möglichkeiten, die das Charisma enthält, vollständiger zum Ausdruck zu bringen. Ihr sollt euch immer mehr bewusst sein: »Auch wenn es Mühe kostet: Die Gemeinschaft ist der Ort, wo ein Charisma sich als echt und geheimnisvoll fruchtbar erweist« (Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 130). In Treue zur anfänglichen Eingebung des Gründers und der Gründerinnen und im Hören auf die vielen Formen des Leidens und der Armut der heutigen Menschheit werdet ihr auf diese Weise das empfangene Geschenk in immer neuem Licht erstrahlen lassen. Und viele junge Frauen und Männer in aller Welt können sich davon angezogen fühlen und sich euch anschließen, um die Zärtlichkeit Gottes weiterhin zu bezeugen.

Liebe Brüder und Schwestern, ich bitte den Heiligen Geist, diesen neuen Abschnitt eures Weges als charismatische Kamillianische Familie zu stützen. Ich segne von Herzen euch alle, eure Gemeinschaften und die Menschen, denen ihr dient. Alle. Und bitte betet auch weiterhin für mich. Danke.

 



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