JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 8. Januar 2003
Lesung aus Psalm 100:
1 Lobgesang des Volkes beim Einzug ins Heiligtum [Ein Psalm zum Dankopfer.] Jauchzt vor dem Herrn, alle Länder der Erde!/
2 Dient dem Herrn mit Freude! Kommt vor sein Antlitz mit Jubel!
3 Erkennt: Der Herr allein ist Gott. / Er hat uns geschaffen, wir sind sein Eigentum, sein Volk und die Herde seiner Weide.
4 Tretet mit Dank durch seine Tore ein! / Kommt mit Lobgesang in die Vorhöfe seines Tempels! Dankt ihm, preist seinen Namen!
5 Denn der Herr ist gütig, / ewig währt seine Huld, von Geschlecht zu Geschlecht seine Treue.
Liebe Brüder und Schwestern!
1. In der freudigen und festlichen Atmosphäre, die sich in der letzten Woche der Weihnachtszeit fortsetzt, wollen wir unsere Betrachtung über die Liturgie der Laudes wieder aufnehmen. Wir verweilen heute bei dem soeben verkündeten Psalm 1, der eine frohe Einladung zum Lob des Herrn, des Hirten seines Volkes, ist.
Sieben Imperative prägen die ganze Komposition und drängen die Gemeinschaft der Gläubigen, im Gottesdienst den Gott der Liebe und des Bundes zu feiern: »jauchzt«, »dient«, »kommt«, »erkennt«, »tretet durch die Tore ein«, »dankt ihm«, »preist seinen Namen«. Man könnte an eine liturgische Prozession denken, die sich anschickt, in den Tempel von Zion einzutreten, um eine Liturgie zu Ehren des Herrn zu feiern (vgl. Ps 15; 24; 95).
In dem Psalm häufen sich einige charakteristische Worte, die den Bund herausstellen sollen, der zwischen Gott und Israel besteht. Daraus ergibt sich vor allem die Bekräftigung der vollen Zugehörigkeit zu Gott: »Wir sind sein Eigentum, sein Volk« (Ps 100, 3), die stolze und zugleich demütige Bekräftigung, weil Israel sich als »die Herde seiner Weide« präsentiert (ebd.). In anderen Texten wird die damit verbundene Beziehung ausgedrückt: »… er ist unser Gott« (vgl. Ps 95, 7). Dann finden wir den Wortschatz der Liebesbeziehung, jene »Güte«, »Huld« und »Treue« (vgl. Ps 100, 5), die im hebräischen Original mit Worten dargestellt wird, die bezeichnend sind für den Bund, der Israel an seinen Gott bindet.
2. Auch die Koordinaten von Raum und Zeit kommen zur Sprache. Denn auf der einen Seite stellt sich uns die ganze mit ihren Bewohnern in das Lob Gottes einbezogene Erde vor (vgl. V. 2); dann verengt sich der Horizont bis auf den heiligen Bereich des Tempels in Jerusalem mit seinen Vorhöfen und Toren (vgl. V. 4), in denen die betende Gemeinde versammelt ist. Auf der anderen Seite bezieht man sich auf die Zeit in ihren drei Grunddimensionen: die Vergangenheit der Schöpfung (»er hat uns geschaffen«, V. 3), die Gegenwart des Bundes und des Kultes (»wir sind sein Eigentum, sein Volk und die Herde seiner Weide«, ebd.) und schließlich die Zukunft, in der die »von Geschlecht zu Geschlecht« erwiesene Huld und Treue des Herrn »ewig« währt (V. 5).
3. Werfen wir jetzt einen Blick auf die sieben Imperative, die eine ausführliche Einladung zum Lob Gottes bilden und fast den ganzen Psalm füllen (vgl. V. 2-4); sie finden dann im letzten Vers ihre Begründung in der Verherrlichung Gottes, der in seiner inneren und tiefen Identität betrachtet wird.
Zunächst wird zum lauten Jubel eingeladen, der die ganze Erde in das Lob des Schöpfers einbezieht. Wenn wir beten, sollen wir uns mit allen Betern im Einklang fühlen, die in verschiedenen Sprachen und Ausdrucksformen den einen Herrn verherrlichen. »Denn vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Untergang steht mein Name groß da bei den Völkern, und an jedem Ort wird meinem Namen ein Rauchopfer dargebracht und eine reine Opfergabe; ja, mein Name steht groß da bei den Völkern, spricht der Herr der Heere«, heißt es beim Propheten Maleachi (1, 11).
4. Dann folgen der Liturgie und dem Ritus entsprechende Aufforderungen: »dienen«, »vor Gottes Angesicht kommen« und »durch die Tore des Tempels eintreten«. Diese Verben sind eine Anspielung auf die königlichen Audienzen und beschreiben die verschiedenen Gesten, die die Gläubigen ausführen, wenn sie in das Heiligtum von Zion eintreten, um am gemeinschaftlichen Gebet teilzunehmen. Nach dem kosmischen Gesang wird vom Volk Gottes, das die »Herde seiner Weide«, »sein Eigentum unter allen Völkern« ist (vgl. Ex 19, 5), die Liturgie gefeiert.
Die Einladung, »mit Lobgesang« und »mit Dank durch seine Tore einzutreten«, erinnert uns an einen Abschnitt aus dem Werk Über die Mysterien des hl. Ambrosius, in dem die Getauften beschrieben werden, die zum Altar treten: »So gereinigt, eilt die Schar … zu Christi Altar und spricht: ›Und ich darf hintreten zum Altare Gottes, zu Gott, der meine Jugend erfreut‹ (Ps 42, 4). Sie hat das Kleid der alteingewurzelten Sündenschuld ausgezogen, und verjüngt von der Jugend des Adlers tritt sie eilends zu jenem himmlischen Mahl hinzu mit dem lauten Jubelruf: ›Du hast einen Tisch bereitet vor meinem Angesicht: … Der Herr weidet mich, und nichts wird mir mangeln. Auf einem Weideplatz, da hat er mich gelagert, am Wasser der Erquickung mich aufgezogen‹ (Ps 22, 1 -2)« (in: Bibliothek der Kirchenväter, Bd. 32, Kempten-München 1917, S. 294 f.).
5. Die anderen Imperative, die den Psalm ausschmücken, stellen religiöse Grundhaltungen des Betenden vor: das Anerkennen, Lobsingen und Danken. Das Verb »anerkennen« drückt den Inhalt des Bekenntnisses des Glaubens an den einen Gott aus. Denn wir sollen bekennen: »Der Herr allein ist Gott« (Ps 100, 3), und jeden Götzendienst und Stolz und jede Ihm entgegengesetzte menschliche Kraft bekämpfen.
Die übrigen Verben, das heißt »danken« und »preisen«, beziehen sich ebenso auf »den Namen« des Herrn (vgl. V. 4), das heißt auf seine Person, seine wirksame und heilbringende Gegenwart.
In diesem Licht führt der Psalm am Schluß zu einer feierlichen Verherrlichung Gottes, die eine Art Glaubensbekenntnis ist: Der Herr ist gütig, und seine Huld verläßt uns nie, denn er ist immer bereit, uns mit seiner barmherzigen Liebe zu stützen. In diesem Vertrauen überläßt sich der Beter ganz der Umarmung seines Gottes: »Kostet und seht, wie gut der Herr ist - sagt der Psalmist an anderer Stelle - ; wohl dem, der zu ihm sich flüchtet« (Ps 34, 9; vgl. 1 Petr 2, 3).
Das Lob Gottes setzt Menschen in Bewegung. „Jauchzt vor dem Herrn, kommt vor sein Antlitz mit Jubel" (Ps 100, 2). Psalm 100 stellt den heutigen Beter in den freudigen und dankerfüllten Gebetsruf der Israeliten hinein, die gemeinsam zum Tempel des Herrn pilgern. Der Blick auf Gott gibt ihnen neues Vertrauen. Gottes Güte kennt keine Grenzen. „Ewig währt seine Huld" (Ps 100, 5).
Das Weihnachtsgeheimnis läßt uns in diesen Lobpreis einstimmen. Aus nah und fern kamen die Menschen zur Krippe, um dem Gottessohn zu huldigen. Im Vertrauen auf die Nähe des Herrn schreitet das Volk der Erlösten durch die Zeit und seiner himmlischen Vollendung entgegen.
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Herzlich grüße ich die Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Besonders heiße ich heute die Pilgergruppe „Sankt Klaus von der Flüe" aus Büttelborn willkommen. Weihnachten darf nicht im Alltag untergehen. Lebt in der Erlöserliebe Gottes und tragt sie in die Welt! Die Freude am Herrn sei dabei eure Stärke (vgl. Neh 8, 10)!
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