ANSPRACHE VON PAPST JOHANNES PAUL II.
AN DIE KOLUMBIANISCHEN BISCHÖFE ZU DEREN BESUCH
"AD LIMINA APOSTOLORUM"
25. September1979
Liebe Brüder im Bischofsamt!
Ich freue mich, heute bei dieser kollegialen Begegnung, bei der euer "ad-limina"-Besuch seinen Höhepunkt erreicht, mit, euch zusammenzusein, nachdem ich in aufeinanderfolgenden Audienzen jeden einzelnen von euch angehört und persönlich mit ihm gesprochen habe. Wie ich das empfinde, möchte ich euch mit den Worten des Apostels Paulus sagen, die mir aus dem Herzen kommen: "Ich danke Gott jeder Zeit euretwegen für die Gnade Gottes, die euch in Christus Jesus geschenkt wurde, daß ihr an allem reich geworden seid in ihm ..." (1Kor 1, 4 ff.).
Ich sage das nicht, um euren Gefühlen als Hirten der Kirche in bequemer Weise zu schmeicheln, eifrig und fleißig wie ihr in der sorgfältigen Führung eurer Herde seid. Ich tue es einfach, um mein aufrichtiges Vertrauen in euer apostolisches Wirken, vor allem in das Ihrige, Herr Kardinal, und in das aller hier anwesenden Brüder, auszusprechen und eure Herzen zu stärken gemäß dem Auftrag Christi: "Stärke deine Brüder" (Lk 22, 32); all das auf Antrieb jener unumgänglichen Liebe, zu der sich Petrus mit demütiger Stimme bekannt hat und die demjenigen ein besonderes Charakterprofil verleiht, der nach dem Willen des auferstandenen Herrn "seine Lämmer weiden" soll (vgl. Joh 21, 15 ff.).
In diese Liebe, die das Band der Einheit der Kirche ist, möchte ich auch eure Diözesangemeinden einschließen und ihnen meine Anerkennung aussprechen. In diesen Tagen waren sie in meiner pastoralen "Sorge für alle Gemeinden" (2Kor 11, 28) ganz besonders gegenwärtig; eine Sorge, die ich mit euch teile, wie ich euch bitte, an meiner tiefen Genugtuung teilzunehmen, denn ich freue mich zu sehen, "wie fest und geordnet euer Glaube an Christus ist ...; lebt in ihml Auf ihn seid ihr gegründet; baut auf ihn und haltet an dem Glauben fest, in dem ihr unterrichtet wurdet ..." (Kol 2, 5 ff.).
Einheit in der Liebe, fester, auf Christus hoffender Glaube: ich bringe damit etwas zum Ausdruck von der vollen Lebenskraft der Kirche bei denjenigen, die wirklich in Christus verwurzelt sind und wissen daß sie auf Ihn gebaut haben. Auf das alles ist auch eure vorrangige Sendung als Lehrer gerichtet, die dem Volk Gottes gemäß der empfangenen Lehre das Evangelium verkünden.
1. Es wird nicht an Leuten fehlen, die in oberflächlicher Kritik meinen, die Glaubensgemeinschaft in Christus lebe völlig verwirrt und verstört inmitten einer Gesellschaft, die durch rein irdische Motive in Bewegung gehalten wird und in der auch die Gerechten und Ehrenhaften von der Nutzung und dem Genuß der materiellen Güter bestimmt werden. Sie wollen das Evangelium auf eine der vielen. Lehren humanitärer Art verkürzen, die leicht als Alibi dienen, den. brennenden menschlichen und sozialen Problemen unserer Zeit auszuweichen; die Seelsorger ‒ ob Priester oder im Apostolat tätige Laien ‒ sind verpflichtet, dem einfachen Volk eine Hoffnung zu verkünden (vgl. 1 Kor 1, 18 ff.), die mit der Gewinnsucht dieser Welt nichts zu tun hat.
Man muß folglich mit Einfühlungsvermögen darauf bedacht sein, daß die christlichen Gemeinden keine anderen Wege des Heils einschlagen und keinem politisch-sozialen Kompromiß beipflichten zugunsten einer angeblich authentischen Interpretation des Evangeliums, die "die Gottheit Christi verschweigt, und sich zudem noch darum bemüht, nachzuweisen, daß Jesus-politisch engagiert gewesen sei, gegen die römische Herrschaft und die Mächtigen gekämpft habe und sogar in einen Klassenkampf verwickelt gewesen sei" (Eröffnungsansprache bei der 3. Vollversammlung der lateinamerikanischen Bischöfe in Puebla, Nr. I, 4).
2. Liebe Brüder, ich möchte hier wiederholen, was ich bereits in Puebla vor der Vollversammlung der lateinamerikanischen Bischöfe zu sagen Gelegenheit hatte: als Bischöfe der Kirche müssen wir uns bewußt sein; Lehrer der Wahrheit zu sein. Das ist es, was die Gläubigen bei uns suchen, wenn wir ihnen die Frohbotschaft verkünden (Vgl. ebd. I, 1). Der Glaube an Christus, auf den sich das kirchliche Leben stützt, ist, wie ihr sehr wohl wißt, nicht das Ergebnis menschlicher Erfindung und auch nicht das Ergebnis der Begeisterung oder der Erfahrungen einer Gruppe. Wir verkündigen den Sohn Gottes, der Mensch geworden ist, an seinem Kreuz "für Juden ein Anstoß, für Heiden eine Torheit, für die Berufenen aber, Juden wie Griechen, Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit" (1 Kor 1, 23-24). Dieser göttlichen Weisheit, die in der Person Christi die menschliche Schwäche und den menschlichen Schmerz auf sich nimmt, strebt das christliche Geheimnis der Schöpfung und der Geschichte zu, und in ihr offenbart sich das letzte Geheimnis des Menschen und seiner Bestimmung. Das macht also eine Öffnung für die offenbarte Wahrheit, notwendig, um den Sinn des Geschaffenen begreifen, das ja nicht das Ergebnis von Naturkräften oder menschlicher Planungen ist, sondern das Werk eines Planes Gottes, in dem seine Zeichen der Liebe für den Menschen sichtbar werden. Es kann unglücklicherweise geschehen, daß die Welt diesen Sinn nicht erkennt, daß die Menschen dieses hoffnungsvolle Licht nicht annehmen, doch es ist gewiß, daß Christus dieses Licht ist und daß alle, die es empfangen, zu Kindern Gottes werden (vgl. Joh l, 9 ff.).
Ihr seht schon, wie dringend eine Evangelisierungsarbeit ist, die intensiver auf das Licht der Wahrheit zugeht, um der Welt die eigentlich Sendung der Kirche aufzuzeigen: alle Menschen in Christus Wurzel schlagen zu lassen. Was die Gemeinschaft der Gläubigen betrifft, muß die Kirche immer immer mit jedem Menschen vor Gott solidarisch sein; was das "sacramentum salutis" des Heilsgeheimnis, anbelangt, müssen wir begreifen, daß wir die frohe Botschaft von der Erlösung allen Menschen mitteilen und in ihnen verwirklichhen sollen (vgl. Gaudium et spes, Nr. l), um diese Aufgabe in angemessener Weise erfüllen zu können, ist es unerläßlich, daß Priester, Ordensleute und Gläubige in Übereinstimmung mit dem Lehramt und mit den von der kirchlichen Hierarchie aufgestellten Richtlinien leben.
3. Damit, liebe Brüder, wollte ich hervorheben, was der Kern unseres Dienstes ist: die Kirche muß "furchtlos Gottes Wort sagen" (vgl. Phil 1,14), Christus verkündigen, frei von menschlichen Ideen soziologischer, politischer oder psychologischer Prägung (vgl. Predigt in der Kathedrale von Santo Domingo) im Bewußtsein, daß wir ‒ und hier wenden sich meine Gedanken voll Zuversicht auch an die Priester und Ordensleute ‒ "Gefährten und Helfer" sind, die Gott bei dem Werk der Heiligung des Menschengeschlechts durch eifrige Verwaltung der Sakramente und als Leiter des Gottesvolkes dienen (vgl. Presbyterorum ordinis). Wir müssen uns also immer mehr von Christus ergreifen lassen, um ihn der Welt klar darstellen zu können, um unserer Verkündigung vor denen, die ihn mit aufrichtigem Herzen suchen, Glaubwürdigkeit zu verleihen; so daß unser Einsatz für die Gerechtigkeit und zugunsten der Armen und Unterdrückten die Form eines persönlichen Opfers annimmt, nach dem Vorbild dessen, der uns bis zum Tode geliebt und uns neues Leben geschenkt hat (Eucharistisches Hochgebet IV).
Ich schließe mit den Worten des hl. Paulus, die mir in der Tat als Zusammenfassung der eigentlichen Beweggründe für unser Leben und unseren Dienst scheinen! "Vor allem aber lebt in der Gemeinde so, wie es dem Evangelium Christi entspricht! Ob ich komme und euch sehe oder ob ich ferne bin, ich möchte hören, daß ihr in dem einen Geist feststeht, einmütig für den Glauben an das Evangelium kämpft ..." (Phil 1, 27 ff.).
Indem ich euch auf Wiedersehen sage, bitte ich euch, in tiefer christlicher Liebe eure Priester, Seminaristen, Ordensleute und Laien im Namen des Papstes zu grüßen, der alle liebt, für alle betet, alle segnet.
Copyright © 1979 - Libreria Editrice Vaticana
Copyright © Dicastero per la Comunicazione - Libreria Editrice Vaticana