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BOTSCHAFT VON PAPST JOHANNES PAUL II.
AN DIE TEILNEHMER DER VOLLVERSAMMLUNG
DER KONGREGATION FÜR DIE ORDENSLEUTE UND SÄKULARINSTITUTE 

7. März 1980

 

 

Meine Herren Kardinäle und ehrwürdigen Brüder!

1. "Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus" (Röm 1, 7). Mit diesen Worten des Apostels Paulus möchte ich euch begrüßen.

Ihr wolltet mir das Zeugnis nicht nur der aufrichtigen und aus ganzem Herzen erwiderten! Liebe, die euch mit dem Stellvertreter Christi verbindet, sondern auch das Zeugnis des Willens zukommen lassen, von dem in diesen Tagen eure Arbeiten getragen waren. Sie hatten das Ziel, dazu beizutragen, daß die Ordensmänner und Ordensfrauen der Welt durch die treue Befolgung der Lehren des Evangeliums in immer tieferer Gemeinschaft mit der Kirche leben.

Für dieses Bemühen spreche ich euch meine Anerkennung aus, und mit Freude bestätige ich euch meine überzeugte Wertschätzung für das, was das spezielle Charisma des Ordenslebens im Gefüge des mystischen Leibes darstellt. Es bildet einen großen Reichtum für die Kirche: ohne die religiösen Orden, ohne das Gott geweihte Leben wäre die Kirche nicht ganz sie selbst.

Tatsächlich erlaubt die Profeß der evangelischen Räte denen, die diese besondere Gabe empfangen haben, eine tiefere Gleichstellung mit dem Leben der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams, das Christus für sich gewählt hat und das auch Maria, seine Mutter und die Mutter der Kirche, als Urbild und Vorbild für die Kirche geführt hat (vgl. Apostol. Schreiben Evangelica testificatio, Nr. 2). Zugleich stellt diese Profeß ein vorrangiges Zeugnis dar für die unaufhörliche Suche nach Gott und die absolute Hingabe an das Wachsen des Reiches, wozu Christus die auffordert, die an ihn glauben (vgl. Mt 6, 33). Ohne diese konkreten Zeichen wäre das "Salz" des Glaubens in Gefahr, in einer sich immer stärker säkularisierenden Welt wie der unseren aufgelöst zu werden (Vgl. Evangelica testificatio, Nr. 3).

Es ist klar, daß die Ordensleute, wenn sie ihrer Weihe an den Herrn treu bleiben und imstande sein wollen, davon sichtbar Zeugnis abzugeben, ihre Liebe vervollkommnen und mit Gott im Dialog des Gebetes stehen müssen. Um das Ordensleben rein zu erhalten, bedarf es einer tiefen Glaubenssicht, und diese wird durch das Gebet aufrechterhalten und genährt.

Das für diese Vollversammlung gewählte Thema muß deshalb als ein Thema von vorrangiger Bedeutung angesehen werden, und ich bin sicher, daß diese eure Begegnung alle Ordensleute ermutigen wird, sich beharrlich weiter zu bemühen, um vor der Welt den Vorrang der Beziehung des Menschen zu Gott zu bezeugen. Bestärkt durch die Hinweise, die euer römisches Treffen geben wird, werden sie es nicht versäumen, mit neuer Überzeugung eine ausreichende Zeit dem Gebet vor dem Herrn zu widmen, als Ausdruck ihrer Liebe und vor allem des Bewußtseins, von ihm geliebt zu sein.

Ohne das Gebet verliert das Ordensleben seine Bedeutung und erfüllt nicht seinen Zweck. Die einprägsamen Worte des Apostolischen Schreibens Evangelica testificatio lassen uns darüber nachdenken: "Vergeßt nicht das Zeugnis der Geschichte: die Treue zum Gebet oder seiner Vernachlässigung sind das Beispiel für die Lebendigkeit oder den Verfall des Ordenslebens" (Nr. 42).

2. Ihr habt euch in diesen Tagen einerseits um ein vertieftes Verständnis für den Wert der Kontemplation bemüht und wart andererseits darauf bedacht, geeignete Möglichkeiten zu finden, um das Leben der Ordensleute immer tiefer darin zu begründen. Bei denen, die im Apostolat stehen, wird es darum gehen, die Integration von Innerlichkeit und aktivem Wirken zu fördern. Ihre erste Aufgabe ist es, bei Christus zu sein. Eine ständige Gefahr für die im Apostolat Tätigen besteht darin, daß sie sich so von ihrem Wirken für den Herrn vereinnahmen lassen, daß sie den Herrn allen Wirkens vergessen.

Es wird daher notwendig sein, daß sie sich der Bedeutung des Gebets in ihrem Leben immer stärker bewußt werden und lernen, sich ihm hochherzig zu widmen (vgl. Evangelica testificatio, Nr. 45). Um so weit zu kommen, braucht ihr Leben das Schweigen, und das erfordert Zonen wirklicher Stille und persönlicher Disziplin des einzelnen, um den Kontakt zu Gott zu begünstigen.

Die Teilnahme an der Liturgie der Kirche (Göttliches Offizium, sakramentales Leben) ist ein bevorzugtes Mittel der Kontemplation, besonders in dem Höhepunkt des eucharistischen Opfers, bei dem das innere Gebet mit dem äußeren Kult verschmilzt. Die Verpflichtung zur täglichen Teilnahme daran wird den Ordensleuten helfen, jeden Tag ihre Hingabe an den Herrn zu erneuern.

Die Ordensgemeinschaften, die sich im Namen des Herrn zusammenfinden, haben die Eucharistie als ihren natürlichen Mittelpunkt. Es ist deshalb normal, daß sie sichtbar um ein Oratorium versammelt sind, in dem die Gegenwart des Allerheiligsten Sakramentes das zum Ausdruck bringt und verwirklicht, was die wichtigste Sendung jeder Ordensfamilie sein muß (vgl. Evangelica testificatio, Nr. 48).

Die Ordenshäuser müssen deshalb vor allem Oasen des Gebets und der Sammlung sein, Stätten des persönlichen und gemeinschaftlichen Dialogs mit dem, der der Erste ist und bleiben muß, der wichtigste Gesprächspartner ihrer Tage, die so sehr mit Arbeit angefüllt sind. Die Obern sollen sich also nicht scheuen, ihre Mitbrüder immer wieder daran zu erinnern, daß ein Intervall echter Anbetung mehr und reichere Frucht trägt als irgendeine andere, noch so intensive Tätigkeit, mag sie auch dem Apostolat dienen. "Keine Bewegung im Ordensleben hat irgendeinen Wert, wenn sie nicht auch eine Bewegung nach innen ist, in die Tiefe der Existenzmitte, wo Christus wohnt. Nicht das, was die Ordensleute tun, zählt am meisten, sondern das, was sie als Gott geweihte Menschen sind" (vgl. Ansprache an die Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen in Maynooth am 1.10.1979).

Das kontemplative Leben der Ordensleute wäre unvollkommen, wenn es sich nicht um eine Haltung kindlicher Liebe zur Mutter der Kirche bemühte, zur Mutter derer, die sich Gott geweiht haben. Diese Liebe zur heiligen Jungfrau wird in der Feier ihrer Feste und besonders in den täglichen Gebeten zu ihren Ehren, vor allem dem Rosenkranz, ihren Ausdruck finden. Das tägliche Gebet des Rosenkranzes. ist eine jahrhundertealte Tradition unter den Ordensleuten, und es ist gut, an die Nützlichkeit, die Schönheit und die Wirkung eines solchen Gebetes zu erinnern, das uns das Leben des Herrn in seinen Geheimnissen zur Betrachtung vorlegt.

3. Ich weiß, daß ihr im Rahmen eurer Arbeiten den Ordensleuten des kontemplativen Lebens, in denen wir einen der kostbarsten Schätze der Kirche anerkennen müssen, eine besondere Aufmerksamkeit vorbehalten habt. Der Einladung des göttlichen Meisters bereitwillig folgend, haben sie den besseren Teil gewählt (vgl. Lk 10, 42), nämlich den des Gebetes, des Schweigens, der Kontemplation, der ausschließlichen Liebe zu Gott und der völligen Hingabe an seinen Dienst. Sie sollen wissen, daß die Kirche sehr auf ihren geistlichen Beitrag zählt.

In dem Dekret Perfectae caritatis hat sich das Zweite Vatikanische Konzil  nicht darauf beschränkt, zu bestätigen, daß die kontemplativen Orden auch heute eine vollgültige Bedeutung und Funktion bewahren; sie nehmen, so sagte es, im mystischen Leib einen "hervorragenden Platz" ein. Die auf die Kontemplation hingeordneten Institute "bringen Gott ein erhabenes Lobopfer dar", sie bringen dem Volk Gottes "überreiche Früchte der Heiligkeit" ein, "eifern es durch ihr Beispiel an", "lassen es in geheimnisvoller apostolischer Fruchtbarkeit wachsen" (vgl. Nr. 7).

Gewiß sind die Forderungen, die der Kirche heute von der Evangelisierung gestellt werden, mannigfach und dringlich. Wer jedoch angesichts der dringenden Notwendigkeiten des heutigen Apostolats eine Lebensform für überholt hielte, die ganz der Kontemplation gewidmet ist, würde fehlgehen. Vielmehr haben die Konzilsväter, als sie sich im Dekret Ad gentes mit dem Problem der Verkündigung der Frohbotschaft an alle Menschen auseinandersetzten, den wirksamen Beitrag der kontemplativen Orden zum apostolischen Wirken unterstrichen (Nr. 40) und den Wunsch zum Ausdruck gebracht, daß in den jungen Kirchen unter den verschiedenen Formen des Ordenslebens auch Gemeinschaften des beschaulichen Lebens errichtet werden mögen, um eine "volle Anwesenheit der Kirche" zu gewährleisten (vgl. Nr. 18).

Ist es im übrigen nicht bezeichnend, beim Rückblick auf die Geschichte der Kirche festzustellen, daß gerade in den Jahrhunderten, in denen die Bedürfnisse der Evangelisierung am größten waren, das kontemplative Leben eine Blüte und Ausweitung erlebte, die wunderbar anmuten? Muß man darin nicht einen Hinweis des Geistes sehen, der uns alle, die wir oft unter den Einflüssen des Leistungsdenkens stehen, an die Überlegenheit der übernatürlichen Mittel über die rein menschlichen erinnert?

Ich richte daher meinen Blick voll Zuversicht auf jene Menschen, die vollständig der Kontemplation geweiht sind, und vertraue der Glut ihrer Liebe die quälenden Sorgen des universalen Dienstamtes an, das mir übertragen wurde. Ich weiß, wie sehr sie an ihrer bevorzugten Berufung hängen, wie sie mit Freude die Forderungen des täglichen Opfers annehmen, wie sie die Arbeit, die Mühen und die Hoffnungen ihrer Zeitgenossen in ihr Gebet hineinnehmen. Es ist mein Wunsch, daß sie sich immer mehr in die Spiritualität ihrer Gründer vertiefen, um sie noch intensiver zu leben, ohne sich von Methoden, die gerade modern sind, oder von Techniken, deren Inspiration meist nicht viel mit dem Evangelium zu tun hat, verführen zu lassen. Das kontemplative und mystische Erbe der Kirche ist von einzigartiger Größe und Tiefe: Es gilt daher, darüber zu wachen, daß alle Klöster sich darum bemühen, es kennenzulernen, zu pflegen und zu lehren.

Eine gerechte Strenge bei der Forderung, die Klausur zu beachten, wird sich als sehr nützlich für die Erreichung dieser Ziele erweisen. Zu ihrer Beibehaltung hat sich auch das Zweite Vatikanische Konzil geäußert (vgl. das Dekret Perfectae caritatis, Nr. 16). Das Aufgeben der Klausur würde in der Tat den Verlust dessen bedeuten, was zur besonderen Eigenart einer der Formen des Ordenslebens gehört, durch welche die Kirche den Vorrang der Kontemplation vor der Aktion, den Vorrang des Ewigen vor dem Zeitlichen der Welt deutlich macht. Die Klausur isoliert die kontemplativen Ordensleute nicht von der Gemeinschaft des mystischen Leibes. Sie stellt sie vielmehr in das Herz der Kirche, wie mein Vorgänger, Papst Paul VI., ausgeführt hat. Er fügte hinzu, daß diese Menschen "den geistlich-spirituellen Reichtum der Kirche nähren, ihr Gebet veredeln, ihre Liebe festigen, ihre Leiden und Mühen, ihr Apostolat und ihre Hoffnungen teilen, ihre Verdienste vermehren" (Ansprache vom 2. Februar 1966).

4. Es gibt da noch ein besonderes Problem, auf dessen Wichtigkeit heute hingewiesen werden soll: nämlich das der engen Beziehungen zwischen den Ordensinstituten und dem Klerus in bezug auf die kontemplative Dimension, die jedes dem Herrn geweihte Leben als seine bestimmende Grundlage haben muß.

Die Weltpriester müssen aus der Kontemplation die Kraft und Unterstützung für ihr Apostolat schöpfen. Wie in der Vergangenheit sollen sie im Normalfall eine diesbezügliche Hilfe bei erfahrenen Ordensleuten und im Kontakt mit Klöstern finden, die bereit sind, sie für die geistlichen Übungen und für Zeiten der Sammlung und Einkehr aufzunehmen.

Die Ordensfrauen ihrerseits sollen im Klerus die Beichtväter und geistlichen Führer finden können, die imstande sind, ihnen hilfreich beizustehen, damit sie ihre Weihe besser verstehen und leben. Der Einfluß der Priester ist übrigens sehr oft entscheidend, wenn es darum geht, eine Berufung zum Ordensleben zu entdecken und zu fördern.

Es ist daher notwendig, daß der Klerus und die Ordensleute, und besonders die Bischöfe und die Obern sich bemühen, für das so wichtige Problem der gegenseitigen Abhängigkeit der beiden Stände eine unserer heutigen Zeit angepaßte Lösung zu finden.

Ich möchte noch einen kurzen Hinweis auf die neuen Formen kontemplativen Lebens hinzufügen, die da und dort in der Kirche auftauchen und in denen die eine oder andere Komponente des spirituellen Lebens bevorzugt wird. Es handelt sich dabei insgesamt um interessante Experimente, welche die Kirche mit wohlwollendem und aufmerksamem Blick verfolgt.

Es drängt mich aber, daran zu erinnern, daß diese Experimente auf keinen Fall die Treue zu den Formen des kontemplativen Lebens lockern dürfen, die sich seit Jahrhunderten bewährt haben: sie bleiben wahre, authentische Quellen des Gebetes und sichere Schulen der Heiligkeit, deren Fruchtbarkeit niemals geleugnet wurde.

5. Geliebte Brüder, das Ordensleben kennt hier auf Erden kein endgültiges Ziel: es ist eine Gabe in ständiger Entfaltung und ein Weg in Richtung auf immer höhere Ziele. In diesem Sinne sagt der hl. Benedikt, daß das Mönchsleben eine ununterbrochene Lehrzeit für den Dienst des Herrn darstelle: "dominici schola servitii" (Regel, Einl.). Eine Schule, in welcher der Geist der innere Lehrer ist.

Ihr habt im Laufe dieser Tage versucht, auf diesen stillen und sanften Lehrmeister zu hören, um seine Anregungen getreu aufzunehmen und die inneren Erleuchtungen in konkrete Regeln umzusetzen. Möge eure Arbeit reiche Früchte hervorbringen, indem sie allen Ordensleuten die nötige Hilfe bietet für die Verwirklichung dessen, was der Herr von ihnen zum Besten der ganzen christlichen Gemeinschaft erwartet.

Mit diesem Wunsch rufe ich auch den mütterlichen Beistand der seligsten Jungfrau Maria, des unübertrefflichen Vorbildes vollkommener Hingabe, herab und erteile euch von Herzen meinen besonderen Segen. Ich möchte ihn auf alle ausweiten, die sich in Keuschheit, Armut und Gehorsam bemühen, schon hier auf Erden "dem Lamm zu folgen, wohin es geht" (Offb 14,4).

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