ANSPRACHE VON JOHANNES PAUL II.
AN DIE MITGLIEDER DES PARLAMENTES
DER REPUBLIK ÖSTERREICH
Montag, 6. Dezember 1982
Sehr geehrte Damen und Herren!
Zu Ihrem heutigen Besuch im Vatikan, dem Sitz des Nachfolgers Petri, heiße ich Sie herzlich willkommen. Es ist mir eine besondere Freude, Sie, die Sie als christliche Politiker im Bundesrat, im Nationalrat oder in einzelnen Landtagen Österreichs dem Wohl Ihres Volkes dienen, hier mit Ihren Angehörigen und Freunden begrüßen zu können.
In der Vielfalt der Meinungen und politischen Überzeugungen bekennen Sie sich in Ihrem Staat zu der Notwendigkeit einer Politik aus christlicher Verantwortung. Sie haben sich als Christen Jesus Christus, seine Lehre und sein Leben als wegweisendes Vorbild genommen. Daraus erwächst eine besondere Verpflichtung für Ihr Wirken in Staat und Gesellschaft. Dieses muß von persönlicher Glaubwürdigkeit getragen sein, die den Christen im öffentlichen wie privaten Leben gleichermaßen erkennen läßt. Christliches Apostolat und politische Verantwortung sollen sich gegenseitig durchdringen und im Dienst am Mitmenschen für eine würdige und gerechte Gestaltung des menschlichen Zusammenlebens fruchtbar werden. Als christliche Politiker teilen Sie in einer besonderen Weise den Auftrag des katholischen Laien, der nach dem Konzilsdokument über das Laienapostolat darin besteht, der christlichen Auffassung vom Menschen im gesellschaftlichen und staatlichen Leben zu Anerkennung und Geltung zu verhelfen, indem Sie sich entschlossen darum bemühen, ”das Gemeinwohl zu fördern und das Gewicht ihrer Meinung stark zu machen, damit die staatlichen Gewalt gerecht ausgeübt wird und die Gesetze der sittlichen Ordnung und dem Gemeinwohl entsprechen“. Im gegenwärtigen Augenblick wird Ihre besondere Aufmerksamkeit dem Schutz des menschlichen Lebens, der Achtung von Ehe und Familie sowie der Förderung der öffentlichen Sittlichkeit zu gelten haben. Christliche Politik besagt zugleich auch überzeugenden Einsatz im kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Bereich, auf daß Fortschritt, Sicherheit und Wachstum nicht Selbstzweck werden, sondern dem wahren Wohl und der ganzheitlichen Entfaltung des Menschen dienen.
Eine besondere Verantwortung erwächst Ihrem Land aus seiner zentralen Lage in der Mitte Europas, an der Scheidelinie zwischen Ost und West. Wie in der Vergangenheit erfüllt es auch in der Gegenwart vielfach die Funktion des Brückenschlags zwischen den Völkern. Österreich hat sich durch seine Stellung als neutraler Staat nicht seiner Verantwortung in der Völkergemeinschaft entzogen, sondern sich stets bemüht, seinen Beitrag zur Friedenssicherung und Völkerverständigung zu leisten. Das zeigt sich auch vor allem dann, wenn Menschen in anderen Staaten in Not geraten. So haben gerade in den letzten Monaten auch viele meiner Landsleute in den verschiedenen österreichischen Bundesländern gastfreundliche Aufnahme gefunden.
In der Hoffnung, daß ich im kommenden Jahr persönlich Ihrem geschätzten Land meinen geplanten Pastoralbesuch abstatten kann, grüße ich durch Sie zugleich alle, die für das Leben und Wirken Ihres Volkes Verantwortung tragen. Ebenso wünsche ich Ihnen in diesen Tagen einen schönen und fruchtbaren Romaufenthalt. Möge Ihnen aus der Begegnung mit dem reichen kulturellen und religiösen Erbe der Ewigen Stadt für Ihre verantwortungsvolle Tätigkeit in der Heimat neue Kraft und Zuversicht erwachsen. Das erbitte ich Ihnen mit meinen besonderen Apostolischen Segen.
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