ANSPRACHE VON JOHANNES PAUL II.
AN DIE DEUTSCHEN BISCHÖFE AUS BAYERN ANLÄSSLICH
IHRES «AD-LIMINA»-BESUCHES
Freitag, 4. Dezember 1992
Lieber Herr Kardinal,
liebe Mitbrüder im Bischofsamt!
1. Mit großer Freude heiße ich Euch, die Hirten der beiden bayerischen Kirchenprovinzen, zu Eurem diesjährigen ”Ad-Limina“-Besuch willkommen. Der Aufenthalt an den Gräbern der Apostelfürsten stellt nicht in erster Linie eine formale Erfüllung der Verwaltungs- und Rechtsverpflichtungen Eures Amtes dar. Eure Anwesenheit ist vielmehr das sichtbare Zeichen echter Brüderlichkeit und Verbundenheit in der Liebe zu Christus, dem obersten Hirten, der auch weiterhin seine Stellvertreter und Botschafter sendet, ”damit sie in Teilhabe an seiner Gewalt alle Völker zu seinen Jüngern machten und sie heiligten und leiteten“.
2. Über das Bischofsamt und die Sendung der Bischöfe hat das Zweite Vatikanische Konzil unter anderem folgendes ausgesagt: ”Die Bischöfe, die den Teilkirchen vorstehen, üben als einzelne ihr Hirtenamt über den ihnen anvertrauten Anteil des Gottesvolkes, nicht über andere Kirchen und nicht über die Gesamtkirche aus“. Dem Diözesanbischof stehen nicht selten Auxiliarbischöfe zur Seite, weil er ”wegen der zu großen Ausdehnung der Diözese oder der zu großen Zahl der Bewohner, wegen besonderer Seelsorgsbedingungen oder aus verschiedenartigen anderen Gründen nicht selbst allen bischöflichen Obliegenheiten nachkommen kann, wie es das Heil der Seelen erfordert“.
Die Verleihung der kanonischen Sendung erfolgt nicht nur zum Wohl einer Ortskirche, sondern zum Wohl der ganzen Kirche. Es gehört zum Wesen des Bischofsamtes, dass die kanonische Sendung in die universale Sendung eingebunden und allen mit dem Papst verbundenen Bischöfen gemein ist. Jede Teilkirche lebt aus der Gesamtkirche, der fundamentalen Wirklichkeit der Kirche. Ordnung und Einheit der Kirche erfordern dass die Amtsgewalt der Bischöfe in enger Verbindung mit der Autorität des Papstes ausgeübt wird: ”Die einzelnen Bischöfe, denen die Sorge für eine Teilkirche anvertraut ist, weiden unter der Autorität des Papstes als deren eigentliche, ordentliche und unmittelbare Hirten ihre Schafe im Namen des Herrn, indem sie ihre Aufgabe, zu lehren, zu heiligen und zu leiten, an ihnen ausüben“.
3. In der Erfüllung Eurer Aufgaben begegnet Ihr stets einer konkreten gesellschaftlichen Situation. Angesichts der Euch aus Eurem Amt erwachsenen Verantwortung gilt immer, was die Apostel Petrus und Johannes vor dem Hohen Rat sagten: ”Ob es vor Gott recht ist, mehr auf euch zu hören als auf Gott, das entscheidet selbst. Wir können unmöglich schweigen über das, was wir gesehen und gehört haben“. Eine der dringenden Aufgaben des obersten Lehramtes und Eures eigenen bischöflichen Wirkens besteht darin eine wirklich katholische Ekklesiologie auf allen Ebenen und in allen Bereichen des kirchlichen Lebens überzeugend darzustellen. Die diözesanen und pfarrlichen Strukturen und Tätigkeiten sowie die verschiedenen Verbände müssen von einem wirklichen Verständnis für das wahre Wesen der Kirche durchdrungen und von echter Liebe zur Kirche erfüllt sein. Das kirchliche Leben ist in Euren Diözesen, im ganzen betrachtet, lebendig. Vier Bistümer weisen den höchsten Prozentsatz an sonntäglichen Gottesdienstbesuchern in Deutschland auf. Deshalb gilt mein Dank Euch, liebe Mitbrüder, Euren Priestern, Ordensleuten und Laien für die unermüdliche Tätigkeit am Aufbau des Leibes Christi. Zugleich aber bitte ich Euch, Eure Priester und Gläubigen immer wieder zu ermutigen, sich nicht dem Zeitgeist anzupassen. Ein gewisser Gegensatz zu den in der Gesellschaft gängigen Vorstellungen und Verhaltensweisen wird die aus dem Evangelium lebenden Christen immer charakterisieren. Zwischen Kirche und Gesamtgesellschaft bestehende spannungsgeladene Unterschiede nicht durch Differenzieren und Paktieren überbrückt werden, auch wenn dabei theologisch argumentiert wird. Die Folge wäre, dass die Kirche an innerer Glaubwürdigkeit einbüßen und schließlich an Gewicht und Ansehen innerhalb der Gesellschaft verlieren würde. Einige befürchten, die Kirche in Deutschland könne auf die Ebene einer unbedeutenden Sekte absinken, wenn sie den gesellschaftlichen Trends im Land zu sehr widerspreche. Diese Besorgnis lässt aber die Tatsache außer acht, dass die Kirche nur dann zu einer Sekte wird, wenn sie nur noch bestimmte Segmente des depositum fidei verkündet und auf die Fülle der Glaubenstradition zugunsten der Anpassung an den Zeitgeist verzichtet.
Viele Menschen sind heute nicht zuletzt infolge der vierzigjährigen atheistisch-kommunistischen Propaganda dem christlichen Glauben entfremdet. Nach dem Zusammenbruch der ideologischen Konstruktion des Marxismus-Leninismus ist in den ehemals kommunistischen Ländern nicht nur ein Orientierungsverlust zu beobachten, sondern auch eine weit verbreitete Anhänglichkeit an individualistische und egoistische Ordnungen, wie sie im Westen praktiziert wurden und werden. Solche Ordnungen können dem Menschen letztlich keinen Sinn des Lebens vermitteln und keine Hoffnung geben. Allenfalls können sie ihn momentan mit dem zufriedenstellen, was er als individuelle Erfüllung begreift. In einer Welt, in der nichts mehr wirklich wichtig ist, in der man tun kann, was man will, besteht die Gefahr, dass Prinzipien, Wahrheiten und Werte, die in Jahrhunderten mühsam erworben wurden, auf die Müllhalde eines übertriebenen Liberalismus gekippt werden.
Auf diesem Hintergrund sind Versuche zu deuten, die den Glauben und damit die Kirche psychologisieren und demokratisieren wollen. Das Empfinden für das Transzendente wird weitgehend verschüttet, und das mysterium crucis stößt auf Unverständnis.
4. Demokratische Strukturen und Prinzipien sowie marktwirtschaftliche Systeme sind letztlich nur Mittel und Mechanismen für ein gut funktionierendes Zusammenleben, sie sind aber nicht Selbstzweck. Die Menschen suchen mehr: Und ich bitte Euch, ihnen diesen Weg der Sehnsucht nach etwas ganz anderem, das ihnen Bestimmung gibt, zu weisen. Helft ihnen auf ihrer Suche nach dem Transzendenten!
Für das kirchliche Leben bedeutet dies, dass es auf den Wahrheiten des Glaubens gründen muss, dass es Christus und der Botschaft des Evangeliums treu bleiben muss, wenn wir den Gliedern der Kirche wirklich helfen wollen, die sich inmitten einer Gesellschaft befinden, die dazu neigt, alle Lebensbereiche zu relativieren und zu säkularisieren. Nur auf einer soliden Grundlage können die Christen ihre Verantwortung im kulturellen, sozialen, politischen und wirtschaftlichen Leben wahrnehmen. Achtet vor allem darauf, dass nicht ”Werte“ gepredigt werden, die zwar mehrheitsfähig sind, die aber die wahre Natur des Evangeliums als ”Kraft Gottes, die jeden rettet“, verdunkeln können. Ermuntert Eure Priester, den Glauben so zu vermitteln, dass die Menschen spüren, dass der Priester sich voll und ganz mit dem identifiziert, was er sagt und tut.
5. Auf dem zuvor dargestellten Hintergrund wird auch die Dringlichkeit der Neuevangelisierung deutlich. Die Kirche muss wieder ”Salz der Erde“ und ”Licht der Welt“ werden.
Als ich Euch, liebe Mitbrüder, in den vergangenen Tagen persönlich begegnet bin, wurde mir klar, wie stark in Euch der apostolische Eifer ist. Er ist verbunden mit einer wachen Sorge für das christliche Volk Bayerns und der Diözese Speyer, an das ich nach meinen beiden Pastoralbesuchen eine dankbare Erinnerung habe. Die Neuevangelisierung beginnt mit der klaren und nachdrücklichen Verkündigung des Evangeliums, das sich an jeden Menschen wendet. Dabei ist es notwendig, in den Gläubigen die volle Verbundenheit mit Christus, dem einzigen Erlöser der Menschen, wieder zu wecken. Nur aus einer persönlichen Verbundenheit mit Jesus kann sich eine wirksame Evangelisierung entfalten. Kirchen mit einer großen Tradition wie die Euren sind aufgerufen, die Heilsbotschaft allen neu zu bringen, die dem Glauben fernstehen oder sich von der christlichen Praxis entfernt haben. Das Bild des Evangeliums von der Stadt, die nicht verborgen bleiben kann, weil sie auf einem Berg liegt, und von dem Licht, das allen im Hause leuchten soll, möge Euch gleichsam als Leitfaden bei Eurer pastoralen Arbeit dienen. Die Offenheit gegenüber der großen Tradition der Kirche und die Sorge, die Glaubens- und Pastorallehre des II. Vatikanischen Konzils immer tiefer ins Leben Eurer Diözesen eindringen zu lassen, werden dabei die Hauptakzente bilden. Vertrauen wir in allem auch auf die Gnade Gottes und das Wirken seines Geistes. Die Adventszeit lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die entscheidende Bedeutung des Kommens Christi in die Welt. Jesus ist für uns Mensch geworden. Er ist auch in der Welt von heute gegenwärtig und wirkt durch die Kraft seines Geistes im Herzen der Menschen, um sie für die Aufnahme der Heilsbotschaft zu bereiten.
6. Im Rahmen der Neuevangelisierung kommt auch dem Religionsunterricht in den Schulen Eures Landes eine herausragende Bedeutung zu. Als ordentliches Lehrfach ist er durch das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland wie in kaum einem anderen Land geschützt. Es ist daher besonders zu würdigen, dass mit dem Religionsunterricht in Deutschland ein Einvernehmen erzielt wurde hinsichtlich der Verantwortung der Kirche für die Glaubensvermittlung und den allgemeinen Bildungsaufgaben von Staat und Gesellschaft. Für viele junge Menschen ist der Religionsunterricht heute der einzige Ort, wo sie der Botschaft des Glaubens begegnen und am Leben der Kirche über eine verhältnismäßig lange Zeitspanne hin regelmäßig teilhaben können. Hier bietet sich eine große Chance, verbunden mit der ernsten Verpflichtung für alle Verantwortlichen, am Auf- und Ausbau des Religionsunterrichtes mitzuwirken, um ihn attraktiv zu gestalten und ihm seinen festen Platz im Lehrplan zu sichern. Anerkennend ist auch hervorzuheben, dass sich die Religionslehrerinnen und -lehrer im Rahmen ihres Dienstes für die Kirche, sei es in den Verbänden, sei es durch eigene Initiativen, die Verlebendigung des Glaubens angelegen sein lassen und sie mit großem Engagement in die Tat umsetzen. Dies zeigt sich vor allem in den zunehmenden Bemühungen um die Ausgestaltung der Schulseelsorge und für die Weiterbildung der Lehrkräfte; es wird auch besonders deutlich im Selbstbewusstsein der katholischen Privatschulen mit ihrer konkurrierenden und damit motivierenden Kraft im Schulsystem Eures Landes. Der Bereich der Schule ist jedoch ebenso ein Abbild dessen, was ich zuvor über die Situation des Glaubens und der Rolle der Kirche im gesamtgesellschaftlichen Bereich gesagt habe. Die Säkularisierung aller Lebensbereiche und die Privatisierung des Religiösen macht auch vor der Schule nicht halt. Der Verlust an Transzendenz, ein gewandeltes Wertebewusstsein sowie die wachsende Indifferenz gegenüber Glaube und Kirche sind nur einige Phänomene, die das Umfeld der Schule und die Arbeitswelt der Religionslehrer nachdrücklich bestimmen. Dadurch wird der Religionsunterricht gewissermaßen zum vorgeschobenen Außenposten einer pluralistischen Gesellschaft.
7. Der Religionsunterricht ist in Eurer Verfassung als konfessioneller verankert und abgesichert. Er soll auch in Zukunft von den christlichen Konfessionen getragen und verantwortet werden, denn er lebt und findet seine existentielle Bezeugung aus dem Engagement konkreter Gemeinden und will zugleich in sie hineinführen. In diesem Zusammenhang möchte ich ausdrücklich an die von den Teilnehmern des internationalen römischen Symposions zum Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen in Europa im April 1991 verabschiedete Erklärung erinnern. Darin wird festgestellt, dass ”der konfessionelle Religionsunterricht die beste Form“ zur Verwirklichung der religiösen Dimension in der schulischen Erziehung und ”deshalb zu Recht ein fester Bestandteil des europäischen Schulwesens darstellt“. Verfolgt daher den bisherigen Weg mutig weiter, und versucht auch in Zukunft die Eigenständigkeit des katholischen Religionsunterrichtes mit der Bereitschaft zur ökumenischen Verständigung und dem unermüdlichen Einsatz für die Belange der Schule in der Gesellschaft zu verbinden. Es sind weniger unsere evangelischen Brüder und Schwestern, die am Prinzip der Konfessionsgebundenheit des Religionsunterrichtes rütteln; die Ablehnung des Konfessionsprinzips ist vielmehr auf eine alte und immer wieder neu auflebende Strategie einer ”Anti-Evangelisierung“ zurückzuführen. Denn der Religionsunterricht leistet einen entscheidenden Beitrag zu einer umfassenden Erziehung der Jugend. Er beharrt dort auf unverzichtbaren Werten, wo sich die menschliche Ratio sonst überschätzt oder wo ein übersteigerter Individualismus und eine konsumorientierte Lebensweise die Oberhand gewinnen könnten. Er bildet ein Gegengewicht zur Selbstverwirklichung des einzelnen auf Kosten anderer, wo es um die Gesamtentfaltung der menschlichen Person und das Wohl der Gemeinschaft unter Einschluss der Öffnung auf das Absolute, auf Gott, hin geht. Schließlich ermöglicht es der Religionsunterricht durch das von ihm vermittelte Gottes- und Menschenbild, die neu aufkommenden Ersatzgötter und Ersatzreligionen, vom Okkultismus bis hin zum menschenverachtenden Nationalismus und Rassismus, klar zu erkennen und sich davon zu distanzieren.
Mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgen wir die Entwicklung in den Ländern Mittel- und Osteuropas, die bis vor kurzem unter kommunistischer Macht standen und den Eltern und Kindern das Recht auf eine religiöse Erziehung in der Schule vorenthielten. Mit Genugtuung sehen wir die Bemühungen, die darauf abzielen, den Religionsunterricht auch in diesen Ländern in den Lehrplan der Schulen aufzunehmen. Zugleich verbinde ich damit die Bitte, hierbei nach Kräften mitzuwirken und Eure Mitbrüder in den neuen Bundesländern beim Aufbau des Erziehungswesens und des schulischen Religionsunterrichtes zu unterstützen.
8. Wirkung und Erfolg des Religionsunterrichtes hängen entscheidend von den Professoren an den Universitäten und Hochschulen ab, die die Religionslehrer ausbilden. Liebe Mitbrüder, achtet darauf, dass das gesamte Glaubensgut unverkürzt und im Einklang mit dem kirchlichen Lehramt vermittelt wird. In Dankbarkeit blicken wir auf die Frauen und Männer, die den in der heutigen Zeit nicht leichten Dienst des Lehrens an den verschiedenen Schulformen wahrnehmen. Deshalb ermuntere ich Euch, der großen Zahl katholischer Religionslehrerinnen und -lehrer auch weiterhin Eure besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden, ein offenes Ohr für ihre Sorgen und Anliegen zu haben und sie in ihrem geistlichen Leben und in ihrer Treue zur Kirche zu stärken. Bemüht Euch aber auch um den Aufbau eines vertrauensvollen Verhältnisses zwischen Lehrerinnen und Lehrern und den Geistlichen in den Pfarrgemeinden, damit der Religionsunterricht und die Gemeindekatechese sich wirkungsvoll ergänzen.
9. Die Vorstellung des neuen Weltkatechimus der katholischen Kirche ist ein Ereignis von historischer Tragweite; er will sich in den Dienst der Glaubenserneuerung und der Neuevangelisierung stellen und ist in den vom II. Vatikanischen Konzil vorgezeichneten Rahmen einzuordnen. Helft mit, liebe Mitbrüder, dass der Weltkatechismus auch in Eurem Land eine gute Aufnahme findet. Die Antwort auf die Sehnsucht des Menschen nach Gott war die eigentliche Intention für das Entstehen des Katechismus. Er will dabei nicht nur die Katholiken ansprechen, sondern alle Menschen, die im Leben nach Orientierung suchen. Außerdem sollte das Glaubensgut der Kirche möglichst in seiner Gesamtheit dargestellt werden. Vor allem junge Menschen sollen dem Leben und den Ideologien unserer Zeit nicht hilflos und sprachlos gegenüberstehen, sondern in der Begegnung mit der Person und der Botschaft Jesu Christi Maßstäbe zu einem Gelingen des Lebens erhalten.
10. Der neue Weltkatechismus wird auch für die außerschulische Katechese von Wichtigkeit sein. Im allgemeinen geschieht in den Pfarreien die Vorbereitung auf die Erstbeichte, Erstkommunion und Firmung. Dabei darf es an der notwendigen Beratung und Begleitung der in der katechetischen Unterweisung wirkenden Laien von seiten des Pfarrers nicht fehlen. Ein noch stärkeres Augenmerk als bisher wird auf die Jugend- und Erwachsenenkatechese zu richten sein. Dabei ist es wichtig, ”dass Katechese für Kinder und Jugendliche, ständige Katechese und Erwachsenenkatechese keine beziehungslos gegeneinander abgeschlossenen Bereiche sind. Noch weniger darf ein Bruch zwischen ihnen bestehen. Man muss sich im Gegenteil dafür einsetzen, dass sie sich vollkommen ergänzen: Die Erwachsenen haben den Jugendlichen und Kindern in der Katechese viel zu geben, sie können von diesen aber auch viel zum Wachstum ihres eigenen christlichen Lebens empfangen“.
Angesichts weitgehender religiöser Indifferenz und Ignoranz, die die heutige Gesellschaft kennzeichnen, reichen gelegentliche und fragmentarische Initiativen der außerschulischen Katechese natürlich nicht mehr aus. Wir müssen uns um eine systematische Formung und Anleitung der Getauften bemühen, um den Glauben neu zu beleben und ihn im Zeugnis des christlichen Lebens umzusetzen. Dies wiederum setzt verantwortungsbewusste Laien voraus, deren Ausbildung eine Priorität der heutigen Pastoral sein muss.
11. Einen weiteren Aspekt Eures bischöflichen Dienstes möchte ich hier kurz ansprechen, nämlich die wichtige Frage der Ökumene und die Notwendigkeit, den eingeschlagenen Weg zur Einheit fortzusetzen. Das ökumenische Engagement des deutschen Episkopats kann in vielerlei Hinsicht als vorbildlich betrachtet werden. Unser Mitbruder Paul-Werner Scheele ist seit 1985 Co-Präsident der Internationalen Lutherisch-Katholischen Dialogkommission. Herrn Kardinal Friedrich Wetter und unserem Mitbruder Franz-Xaver Eder ist der Dialog mit der Orthodoxie ein besonderes Anliegen. In diesem Zusammenhang darf ich Euch ausdrücklich ermuntern, die Begegnungen zwischen der russisch-orthodoxen Kirche und der Deutschen Bischofskonferenz in Zusammenarbeit mit dem Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen fortzusetzen. Die ökumenischen Gespräche bewegen sich in Deutschland auch deshalb auf einem hohen Niveau, weil stets auf qualifizierte Berater im universitären Bereich und in den ökumenischen Forschungsinstituten zurückgegriffen werden kann. Deutsche Professoren arbeiten in den internationalen Dialogkommissionen mit. Besonders erwähnen möchte ich die Leistung des Johann-Adam-Möhler-Institutes in Paderborn sowie das ostkirchliche Institut in Regensburg, das in den vergangenen 20 Jahren 200 Stipendiaten aus verschiedenen orthodoxen Kirchen ein Theologiestudium ermöglicht hat. Zwischen dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz besteht seit 1968 das sogenannte Kontaktgespräch. Die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands und die Deutsche Bischofskonferenz haben 1976 eine gemeinsame Dialogkommission gebildet, um dem internationalen Dialog auf deutscher Ebene neue, konkrete Impulse zu geben. Es verdient ferner Anerkennung, dass in allen Diözesen Ökumenekommissionen bereits bestehen und in den vergangenen Jahren wertvolle Beiträge zur ökumenischen Arbeit in den Gemeinden veröffentlicht wurden. Bemüht Euch auch, liebe Mitbrüder, dafür Sorge zu tragen, dass die bestehenden Normen, die die Interkommunion betreffen und Zeit und Ort ökumenischer Gottesdienste regeln, gewissenhaft eingehalten werden. Ökumenismus ist nicht nur ein Anliegen der Kirchenleitung, es gehört dazu auch der Dialog auf der Ebene der Gläubigen. Möge Gott weiter allen Christen in Deutschland die Bereitschaft zu einem aus dem Evangelium gespeisten gegenseitigen Vertrauen und der Achtung voreinander schenken, damit sie ein immer wirkungsvolleres Zeugnis des Dienstes an der Heilssendung Christi geben.
12. Liebe Mitbrüder im Bischofsamt! Mein Vorgänger Benedikt XV. bestätigte am 26. April 1916, in der schweren Zeit des Ersten Weltkrieges, für die Gottesmutter offiziell den Titel ”Patrona Bavariae“, der in der Volksfrömmigkeit bereits seit drei Jahrhunderten fest verankert war. Maria, die Mutter des Herrn, die in Bayern überall verehrt wird, möge alle Menschen unter ihren Schutz nehmen. Sie geleite Euch in dieser schwierigen Zeit auf Eurem Weg zu neuen apostolischen Aufgaben. Die Heiligen, die aus Eurer Heimat stammen, sowie Eure Diözesanpatrone mögen Euch beistehen. Es begleite Euch mein Apostolischer Segen, den ich gern allen Gläubigen Eurer Diözesen erteile.
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