VIDEOBOTSCHAFT VON JOHANNES PAUL II.
ANLÄSSLICH DER BEVORSTEHENDEN PASTORALREISE IN DIE BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND
Donnerstag, 20. Juni 1996
Liebe Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland!
1. Vor Beginn meines dritten Pastoralbesuchs in der Bundesrepublik Deutschland, den ich mit großer Hoffnung und Erwartung antrete, möchte ich Ihnen allen meinen herzlichen Gruß entbieten. Mein Gruß gilt allen Bewohnern Ihres Landes, dessen Kultur und Sprache ich mich zeit meines Lebens sehr verbunden weiß, ich grüße die Katholiken, besonders in den Erzdiözesen Paderborn und Berlin, von denen ich vielen persönlich begegnen werde; ich grüße die Christen der aus der Reformation hervorgegangenen Gemeinden; ich grüße aber ebenso die Schwestern und Brüder jüdischen Glaubens und anderer religiöser Bekenntnisse. Ich wende mich gleichermaßen an alle Menschen guten Willens, die keiner christlichen Konfession angehören und bisher die Gegenwart Gottes in ihrem Leben nicht zu spüren vermochten.
2. Zum ersten Mal werde ich in Ihr Land kommen nach der Vollendung der staatlichen Einheit, nach den Jahrzehnten schmerzlicher Trennung, die ganz Europa gespalten und entzweit hat. Ich werde zunächst nach Paderborn reisen, in eine Erzdiözese mit reichem christlichen Erbe, einem Missionszentrum, dem bereits im Jahre 799 Besuch eines Papstes, nämlich Leos des Dritten, galt. Dort möchte ich in der Begegnung mit Vertretern anderer christlicher Kirchen und Gemeinschaften die unverfügbare Verpflichtung aller Christen in Erinnerung rufen, dem Auftrag des Herrn um die Einheit seiner Kirche gerecht zu werden.
3. In Berlin habe ich die große Freude, zwei Glaubenszeugen Ihres Landes aus der Zeit des Nationalsozialismus als Märtyrer seligzusprechen: den Berliner Dompropst Bernhard Lichtenberg und den Priester Karl Leisner aus dem Bistum Münster. Diese eindrucksvollen Gestalten sind uns allen eine unüberhörbare Botschaft von der göttlichen Liebe, die alle Menschen erreichen möchte und niemanden ausschließt; von der Hoffnung auf das Leben in Gott, das über den irdischen Tod hinaus dauert; vom Glauben an Jesus Christus, der alle Ideologien überwindet
4. Am Brandenburger Tor möchte ich dann meine Verbundenheit und Sympathie mit den Berlinern bekunden, die über Jahrzehnte in beispielhafter Weise an die Freiheit geglaubt haben. Außerdem werde ich führende Vertreter des Staates treffen, denen auch von dieser Stelle mein besonderer Gruß gilt. Wie kein anderer Punkt in der heutigen Bundeshauptstadt Berlin ist das Brandenburger Tor über Jahrzehnte der heutigen hin Symbol der Teilung dieser Stadt und der Spaltung des ganzen europäischen Kontinents gewesen. Nach dem Niedergang der totalitären Systeme in Mittel- und Osteuropa ist dieses Tor heute zum Zeichen der Öffnung und Verbundenheit aller Völker in Ost und West geworden. Es ist meine feste Hoffnung, die, wie ich weiß, von unzähligen Menschen in Deutschland und in Europa geteilt wird, daß dieser hier symbolisierten wiedergewonnenen Einheit Europas auch weiterhin konkrete Schritte der solidarischen Mitverantwortung folgen, die nach übereinstimmender Ansicht nur dann für die Zukunft tragfähig bleiben, wenn sie im Bewußtsein einer verbindenden Grundlage geistiger und ethischer Werte unternommen werden. Ohne gemeinsame und bindende Überzeugungen, die auf der Gewißheit basieren, daß das menschliche Leben Geschenk ist und in Gott seinen unverfügbaren Ursprung und sein alleiniges Ziel hat, wird dieses Zusammenwachsen nicht gelingen.
Dem Besuch in Ihrem geliebten Land sehe ich mit freudiger Erwartung entgegen. Ihnen allen ein herzliches »Grüß Gott« und »Aufwiedersehen«.
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