Einige Anmerkungen
für mein Testament
In nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti. Amen.
1. Ich richte meinen Blick im Lichte Christi, das allein alles erhellt, und darum mit demütigem und heiterem Vertrauen auf das Geheimnis des Todes und das, was ihm folgt. Ich spüre die Wahrheit, die von diesem Geheimnis her immer auf mein jetziges Leben ausgestrahlt hat, und preise den Sieger über den Tod dafür, dass er die Finsternis zerstreut hat und das Licht aufleuchten ließ.
Im Angesicht des Todes, dieser totalen und endgültigen Loslösung vom irdischen Leben, empfinde ich es als meine Pflicht, das Geschenk, das Glück, die Schönheit und die Bestimmung dieser flüchtigen Existenz zu rühmen: Herr, ich danke Dir, dass Du mich ins Leben gerufen hast, mehr noch: dass Du mich zum Christen, mich wiedergeboren und zur Fülle des Lebens bestimmt hast.
In gleicher Weise empfinde ich es als Pflicht, denjenigen zu danken und sie zu segnen, die mir Übermittler des von Dir, o Herr, geschenkten Lebens und aller seiner Gaben waren: die mich ins Leben eingeführt haben (ja, gesegnet seien meine geliebten Eltern!), die mich erzogen, geliebt, umsorgt und mir geholfen haben, die mich mit guten Beispielen, mit Fürsorge, mit Zuneigung, mit Vertrauen, mit Güte, mit Zuvorkommenheit, mit Freundschaft, Treue und Ergebenheit umgeben haben. Ich blicke mit Dankbarkeit auf die natürlichen und geistlichen Bande, die meinem bescheidenen Dasein Ursprung, Beistand, Kraft und Bedeutung verliehen haben: Wie viele Gaben, wie viele schöne und große Dinge, wie viel Hoffnung habe ich in dieser Welt erhalten!
Nun, da der Tag sich neigt und alles endet, da diese prachtvolle und dramatische irdisch-zeitliche Szenerie mir entschwindet — wie soll ich Dir, o Herr, über das Geschenk des natürlichen Lebens hinaus noch danken für jenes höhere, das Geschenk des Glaubens und der Gnade, zu dem allein am Ende mein Sein Zuflucht nimmt? Wie soll ich würdig Deine Güte, o Herr, dafür preisen, dass ich, kaum in diese Welt eingetreten, in die geheimnisvolle Welt der katholischen Kirche aufgenommen wurde? Dafür, dass ich zum Priester Christi berufen und eingesetzt wurde? Wie soll ich Dich preisen dafür, dass mir die Freude und der Auftrag zuteil wurden, den Seelen, den Brüdern, den Jugendlichen, den Armen, dem Volke Gottes, zu dienen, und dass mir die unverdiente Ehre zukam, Diener der heiligen Kirche zu sein, zunächst in Rom an der Seite des Papstes, dann in Mailand als Erzbischof, auf dem verehrungswürdigen, für mich allzu hohen Stuhl der hll. Ambrosius und Karl (Borromäus), und schließlich auf diesem höchsten und heiligsten Stuhl des hl. Petrus? In aeternum Domini misericordias cantabo.
Ich grüße und segne alle, die mir auf meiner irdischen Pilgerfahrt begegnet sind: meine Mitarbeiter, Berater und Freunde — es waren ihrer so viele, und sie waren so gut, so großzügig und lieb! Gesegnet seien, die meinen Dienst annahmen und mir Söhne und Brüder im Herrn waren!
Euch, Lodovico und Francesco, meine leiblichen und geistigen Brüder, und euch Lieben zu Hause, meinen Friedens- und Segensgruß! Ihr habt von mir nie irdische Gunst erbeten noch erhalten. Ihr habt mir immer das Beispiel menschlicher und christlicher Tugend gegeben. Ihr habt mich verstanden mit so viel Taktgefühl und Herzlichkeit und mir vor allem geholfen, in diesem irdischen Leben den Weg zum künftigen Leben zu suchen.
Der Gedanke wendet sich zurück und weitet sich aus. Ich weiß wohl, dass dieser Abschied nicht glücklich wäre, wenn ich diejenigen nicht um Verzeihung bäte, die ich verletzt, denen ich den Dienst versagt, die ich nicht genug geliebt habe. In gleicher Weise schenke ich Verzeihung dem, der immer dies von mir wünscht. Der Friede des Herrn sei mit uns.
Und ich fühle, dass die Kirche mich umgibt. O heilige Kirche, du eine, katholische und apostolische Kirche, empfange mit meinem Segensgruß den höchsten Erweis meiner Liebe.
Dir, Rom, Diözese des hl. Petrus und des Stellvertreters Christi, die du diesem letzten Diener der Diener Gottes so teuer bist, gilt mein besonderer, väterlicher Segen. Mögest du, Stadt des Erdkreises, immer deiner geheimnisvollen Berufung eingedenk sein und es verstehen, mit menschlicher Tugend und christlichem Glauben deiner geistlichen und weltumspannenden Sendung zu entsprechen, solange die Weltgeschichte währt.
Und euch allen, verehrte Brüder im Bischofsamt, meinen herzlichen und ehrerbietigen Gruß. Ich bin mit euch in dem einen Gauben, in derselben Liebe, im gemeinsamen apostolischen Einsatz, im solidarischen Dienst am Evangelium für die Auferbauung der Kirche Christi, und für das Heil der ganzen Menschheit. Allen Priestern, Ordensmännern und Ordensfrauen, den Alumnen unserer Seminare, den Gläubigen und aktiven Katholiken, den Jugendlichen, den Leidenden, den Armen, den Suchern nach Wahrheit und Gerechtigkeit — allen den Segen des Papstes, der stirbt.
Mit besonderer Achtung und Anerkennung wende ich mich an die Herren Kardinäle und die gesamte Römische Kurie: vor euch, die ihr mir so nahesteht, bekenne ich feierlich unseren Glauben, erkläre unsere Hoffnung, preise die Liebe, die niemals stirbt. Ich nehme demütig vom Willen Gottes den Tod an, der mir bestimmt ist. Dabei rufe ich die große Barmherzigkeit des Herrn an, flehe um die milde Fürbitte der Gottesmutter Maria, der Engel und der Heiligen und empfehle meine Seele dem Gebet aller guten, Menschen.
2. Ich setze den Hl. Stuhl zu meinem Universalerben ein. Dazu verpflichten mich Pflicht, Dankbarkeit und Liebe. Ausgenommen sind die weiter unten aufgezählten Verfügungen.
3. Testamentsvollstrecker soll mein Privatsekretär sein. Er soll sich mit dem Staatssekretariat beraten und sich den geltenden Rechtsvorschriften und gutem kirchlichen Brauch anpassen.
4. Was die Dinge dieser Welt betrifft: Ich habe den Vorsatz, arm zu sterben und auf diese Weise alle Probleme in dieser Hinsicht zu vereinfachen.
Über die Mobilien und Immobilien meines persönlichen Eigentums, die noch aus der Familie stammen und ihr geblieben sind, sollen meine Brüder Lodovico und Francesco frei verfügen. Ich bitte sie um einige Messen für mein Seelenheil und das unserer Toten. Sie sollen hilfsbedürftigen Personen und caritativen Werken einige Spenden zuwenden. Sie sollen von den Sachen, von den Andachtsgegenständen oder von den Büchern, die mir gehörten, das eine oder andere Erinnerungsstück für sich selbst behalten und solchen Personen schenken, die es verdienen und wünschen. Sie sollen meine ganz persönlichen Aufzeichnungen, Notizbücher, Korrespondenzen und Schriftstücke vernichten.
Über die anderen Dinge, die man als meine eigenen bezeichnen kann, möge mein Privatsekretär als Testamentsvollstrecker verfügen. Er soll selbst einige Erinnerungsstücke behalten und den engsten Freunden den einen oder anderen kleinen Gegenstand zur Erinnerung überlassen. Es wäre mir sehr angenehm, wenn meine handschriftlichen Aufzeichnungen und Notizen vernichtet würden und wenn eingegangene, an mich gerichtete Post spirituellen und vertraulichen Charakters verbrannt würde, sofern sie nicht zur Kenntnisnahme anderer bestimmt war. Falls der Testamentsvollstrecker dies nicht wahrnehmen kann, möge das Staatssekretariat diese Aufgabe übernehmen.
5. Ich empfehle eindringlich, für angemessene Gottesdienste für mein Seelenheil und — soweit dies möglich ist — für großzügige Almosen Sorge zu tragen.
Über die Exequien: Sie sollen ehrfürchtig und einfach sein. (Man möge den bis jetzt für die Exequien des Papstes gebrauchten Katafalk abschaffen und ihn durch eine bescheidene und würdevolle Aufbahrung ersetzen.)
Das Grab: Ich möchte gerne, dass es wirklich in der Erde ist, versehen mit einem schlichten Zeichen, das den Ort bezeichnet und zu christlicher Andacht einlädt. Kein Monument für mich.
6. Über das, was am meisten zählt, während ich mich von dieser Welt verabschiede und dem Gericht und der Barmherzigkeit Gottes entgegengehe: Ich müsste viele Dinge sagen, so viele! Über die Lage der Kirche: Möge sie das eine oder andere unserer Worte gehört haben, das wir mit Ernst und Liebe an sie gerichtet haben. Über das Konzil: Man möge darauf achten, es zu einem guten Ende zu führen, und dafür sorgen, seine Vorschriften getreu auszuführen. Über den Ökumenismus: Man möge das Werk der Annäherung unter den getrennten Brüdern mit viel Verständnis, mit viel Geduld, und mit großer Liebe fortführen, ohne jedoch von der wahren katholischen Lehre abzuweichen, über die Welt: Man glaube nicht, ihr zu nützen, wenn man ihr Denken, ihre Verhaltensweisen und ihren Geschmack übernimmt, sondern indem man sie studiert, sie liebt und ihr dient.
Ich schließe die Augen auf dieser schmerzerfüllten, dramatischen und großartigen Erde und rufe noch einmal die Güte Gottes auf sie herab. Nochmals segne ich alle, Rom besonders, Mailand und Brescia. Dem Heiligen Land, dem Land Jesu, wo ich als Pilger des Glaubens und des Friedens war, einen besonderen Segensgruß.
Der Kirche, der so sehr geliebten katholischen Kirche, der ganzen Menschheit meinen Apostolischen Segen!
Sodann: in manus Tuas, Domine, commendo spiritum meu.
Ich: PAULUS PP. VI.
Gegeben zu Rom, bei St. Peter, am 30. Juni 1965, im 3. Jahr unseres Pontifikats
Ergänzende Notizen
zu meinem Testament
In manus tuas, Domine, commendo spiritum meum.
Magnificat anima mea Dominum. Maria!
Ich glaube. Ich hoffe. Ich liebe. In Christus.
Ich danke allen, die mir Gutes getan haben. Ich bitte alle um Verzeihung, denen ich Gutes nicht getan habe. Allen entbiete ich den Frieden im Herrn.
Ich segne mit besonderer Liebe Brescia, Mailand, Rom, die ganze Kirche. Quam diletta tabernacula tua, Domine!
Alle meine Sachen sollen dem Hl. Stuhl gehören.
Mein Privatsekretär, der liebe Don Pasquale Macchi, möge für einige Gottesdienste für mein Seelenheil und für einige gute Werke sorgen; von den Büchern und Gegenständen, die mir gehörten, soll er zur Erinnerung einiges für sich behalten und lieben Freunden überlassen.
Ich wünsche kein aufwendiges Grab.
Einige Gebete, auf dass Gott mir Barmherzigkeit gewähre.
In Te, Domine, speravi. Amen. Alleluja.
Allen meinen Segen, in nomine Domini.
PAULUS PP. VI.
Castel Gandolfo, 16. September 1972, 7.30 Uhr
Ergänzung
zu meinen testamentarischen Verfügungen
Ich wünsche, dass meine Exequien äußerst einfach seien. Ich wünsche weder ein aufwendiges Grab, noch irgend ein Monument. Einige Gottesdienste für mein Seelenheil (wohltätige Werke und Gebete).
PAULUS PP. VI
Copyright © Dicastero per la Comunicazione - Libreria Editrice Vaticana