ANSPRACHE VON PAPST PIUS XII.
AN DIE VEREINIGUNG KATHOLISCHER ABGEORDNETER BAYERNS*
Sala Ducale - Montag, 21. Mai 1956
Mit besonderer Freude entbieten Wir Ihnen den Willkommensgruss, geliebte Söhne und Töchter, nicht nur, weil Sie aus Bayern und München, denen Wir Uns immer verbunden fühlen, den Weg zu Uns gefunden haben, sondern darüber hinaus, weil Sie eine Gemeinschaft so eigener Art sind, dass Wir glauben möchten, es finde sich kaum in der ganzen katholischen Kirche eine, die ihr gliche.
Sie sind eine Elite-Gemeinschaft in doppelter Hinsicht: Sie gruppieren sich ausschließlich aus den Ministerien und obersten Landesbehörden Bayerns. Aber Sie sind auch eine religiöse Elite, weil, wer sich Ihnen anschließen will, unter der Bedingung aufgenommen wird, dass er seinen katholischen Glauben und seine Verbindung mit Christus lebendig auch tatsächlich lebt.
Und somit sind Sie also auch Bekenntnis-Gemeinschaft. Ihre gemeinsame wöchentliche Feier des heiligen Opfers ist immer ein Bekenntnis zu Christus und seiner Kirche. Es ist, als ob Wir aus Ihrer Mitte das Lob Christi hörten, wie es aus dem eucharistischen Gebet der urchristlichen Gemeinde klingt: »Gedenke, Herr, deiner Kirche, dass du sie von allem übel befreien und vollkommen gestalten mögest; und sammle sie von den vier Himmelsrichtungen, geheiligt, in dein Reich, das du ihr bereitet hast, denn dein ist die Macht und die Ehre in Ewigkeit« (Didache, 10, 5).
Noch in anderer Beziehung erinnert Ihre Gemeinschaft an das Leben der ersten Christen: Ihr geselliges Zusammensein nach der religiösen Feier ist ja eine Wiederaufnahme der frühchristlichen Agape, und Sie erfüllen, was der hl. Paulus so sehr von der Agape wünschte : Sie sind bei diesem geselligen Zusammensein alle nur Brüder und Schwestern in Christus.
Sie sind also auch Liebes-Gemeinschaft. Ja, Sie wollen diese Liebesgemeinschaft sich ausweiten lassen zu einer »echten Nachbarschaftshilfe«. Damit sind Sie heute geradezu wegweisend. Die Verhältnisse haben die Kirche zur Bildung der großen Caritas-Organisationen geführt. Und in der Tat, die Caritas hat Aufgaben zu erfüllen, wie sie nur von einer großen und leistungsmächtigen Organisation erfüllt werden können. Dies bringt die Gefahr mit sich, dass der Einzelne sich seiner Liebespflicht dem Nächsten gegenüber ledig wähnt, wenn er seinen jährlichen »Caritasbeitrag« gespendet hat. Es ist dagegen an der Zeit, dass die lebendige Liebe von Mensch zu Mensch wieder mehr gepflegt wird. Sie geben ein gutes Beispiel. Wir wünschten, dass es Nachahmung fände, besonders in der gegenseitigen Familienhilfe.
Halten Sie sich immer vor Augen, geliebte Söhne und Töchter, dass Ihr religiöses Leben sich widerspiegeln muss in Ihrem Berufsleben. Die beiden bilden eine Einheit, so sehr, dass, wo Sie Ihr berufliches Tun unter den Willen Gottes stellen, es von selbst zu religiösem Handeln wird. Dem möge das Verantwortungsbewusstsein entsprechen, mit dem Sie in Ihrem Berufe tätig sind. Sie bekleiden hohe Ämter. Das, was Sie entscheiden, was Sie bestimmen, wird dementsprechend gewöhnlich geoße Auswirkungen haben. Umso mehr müssen Sie mit Ihrem Gewissen dafür einstehen können. Darin liegt für Sie aber auch ein großer Trost: Sie haben reichlicher als die meisten anderen Gelegenheit, das alte Wort wahr zu machen: Das Gute, das man tut, steht um so höher, je weiter seine Wirkung reicht.
Dass der Herr Ihre Gemeinschaft festige und mit seiner Liebe erfülle, dass Er Ihre Berufsarbeit heilige und befruchte, als Unterpfand dessen erteilen Wir Ihnen in väterlichem Wohlwollen den Apostolischen Segen.
*Discorsi e Radiomessaggi di Sua Santità Pio XII, XVIII,
Diciottesimo anno di Pontificato, 2 marzo 1956 - 1° marzo 1957, SS. 235 - 236
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