ANSPRACHE VON PIUS XII.
AN DAS PERSONAL DER BIBLIOTHEKSSCHULE DER MÜNCHNER STAATSBIBLIOTHEK*
Thronsaal - Mittwoch, 15. Mai 1957
Wir begrüßen Sie, geehrte Herren und Damen der Bibliotheksschule der Münchener Staatsbibliothek, die Sie in diesen Tagen die Bibliotheken Roms und besonders die Vatikanische Bibliothek besichtigt haben.
Sie sind mit Recht stolz auf Ihre Münchener Staatsbibliothek. Für die Kirchengeschichte gehört sie zu den wertvollsten Bibliotheken der Welt. Sie werden aber jetzt erfahren haben, welch kostbare Schätze auch die römischen Bibliotheken bieten, oft in verborgenen Winkeln und dunklen Gängen.
Es ist Ihnen wohl zum Bewusstsein gekommen, dass der Name « Vatikanische Bibliothek » ein Name für zwei Sammlungen ist, deren eine um der anderen willen angelegt wurde. Die « Bibliotheca Apostolica Vaticana » ist die große Handschriftensammlung des Vatikans mit den ihr angeschlossenen Sonderbibliotheken, die bis in die letzten Jahrzehnte in den Besitz des Hl. Stuhls gelangten; unter ihnen, aus Ihrer Heimat stammend, die Palatina. Als Ergänzung zu diesem Komplex wurde nach 189o, unter der Leitung Ihres Landsmannes, des späteren Kardinals Franz Ehrle, die Vatikanische Nachschlagebibliothek angelegt, die « Bibliotheca Leonina ». Sie sollte denen zur Verfügung stehen, diel mit dem Studium der Handschriften beschäftigt sind, und dann natürlich den Forschern, die im « mare magnum » des Vatikanischen Geheimarchivs arbeiteten. Für sie in erster Linie war die weit und groß angelegte Sammlung der gedruckten Quellen zur Geschichte der einzelnen Länder und Staaten gedacht.
Der Vatikanischen Bibliothek eigentümlich ist das Institut der « Scriptores ». Sie sind keine Nachahmung der « Bibliotheksräte », sondern eine aus den vorausgehenden Jahrhunderten übernommene Einrichtung. Die Scriptores teilen ihre Zeit in Arbeit für die Bibliothek und eigene wissenschaftliche Betätigung. Sie sind es, welche die Katalogbände der Bibliotheca Apostolica Vaticana herausgeben.
Von den technischen Einrichtungen der Vatikanischen Bibliothek ist heute die photographische Abteilung wohl am stärksten ausgebaut. Angeschlossen ist der Vaticana eine Bibliotheksschule, während mit dem Vatikanischen Archiv eine Schule für Paläographie, Diplomatik und Archivistik verbunden ist, deren Lehrstoff in den letzten Jahre sehr erweitert wurde.
Wir freuen Uns, an der Spitze Unseres Archiv- und Bibliothekswesens einen Mann stehen zu haben, der sich in der wissenschaftlichen Welt hoher Achtung erfreut : der von Uns sehr geschätzte hochbetagte Kardinal Giovanni Mercati.
Der Vatikan will wahrlich kein wissenschaftliches Unternehmen sein. Aber die Eröffnung der Vatikanischen Archive durch Leo XIII. hatte zur unausbleiblichen Folge, dass das Vatikanische Bibliothekswesen sich mächtig weitete. Jene Eröffnung war eine mutige Tat. Der Papst überließ es mit ihr der wissenschaftlichen Forschung, frei selbst zu suchen, was das Wirken der Päpste seit Innozenz III. an geschichtlichen Zeugnissen aufgehäuft hat. Man hört aber allgemein, dass die damit einsetzende Forschung der katholischen Kirche überraschend zur Rechtfertigung und Ehre gereichte.
Wir dürfen beifügen : Es herrscht im Vatikan, aufs Ganze gesehen, der ehrliche Wille, für Gott und seine Sache zu arbeiten. Wir wollen gerne annehmen, dass wir hier darin mit Ihnen einig sind, dass auch Sie den letzten Sinn Ihres Arbeitens sehen im Dienst für Gott und im Lob Gottes.
In diesem Sinn erteilen Wir Ihnen von Herzen den Apostolischen Segen.
*Discorsi e Radiomessaggi di Sua Santità Pio XII, XIX,
19. Pontifikatsjahr, 2. März 1957 - 1. März 1958, SS. 187-188
Tipografia Poliglotta Vaticana
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