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BESUCH IM RÖMISCHEN PRIESTERSEMINAR
ANLÄSSLICH DES FESTES DER "GOTTESMUTTER VOM VERTRAUEN"

BEGEGNUNG VON BENEDIKT XVI.
MIT DEN SEMINARISTEN

Samstag, 17. Februar 2007

 

FRAGEN DER SEMINARISTEN
UND ANTWORTEN DES HL. VATERS

 

GREGORPAOLO STANO: DIÖZESE ORIA, 1. Studienjahr (2. Jahr Philosophie)

1. Eure Heiligkeit, wir stehen im ersten der zwei Jahre, die der Entscheidungsfindung gewidmet sind; während dieses Jahres sind wir damit beschäftigt, unsere Person gründlich zu erforschen. Das ist für uns eine mühsame Übung, weil die Sprache Gottes etwas ganz Eigenes ist, und nur wer aufmerksam ist, vermag sie unter den Tausenden von Stimmen zu erfassen, die in uns widerhallen. Wir bitten Sie also, uns verstehen zu helfen, wie Gott konkret zu uns spricht und welche Spuren er durch sein verborgenes Sprechen hinterläßt.

Benedikt XVI.: Zuallererst ein Wort des Dankes an den hochwürdigen Herrn Rektor für seine Ansprache. Ich bin schon neugierig, jenen Text, den ihr schreiben werdet, kennenzulernen und so auch etwas zu lernen. Ich bin nicht sicher, daß ich die wesentlichen Punkte des Seminarlebens zu klären vermag, aber alles, was ich sagen kann, sage ich.

Nun zu dieser ersten Frage: Wie können wir unter den Tausenden von Stimmen, die wir jeden Tag in unserer Welt hören, die Stimme Gottes erkennen? Ich würde sagen: Gott spricht auf ganz verschiedene Weisen zu uns. Er spricht durch andere Menschen, durch Freunde, durch die Eltern, den Pfarrer, die Priester. Hier sind es die Priester, denen ihr anvertraut seid, die euch leiten. Er spricht durch die Ereignisse unseres Lebens, in denen wir eine Geste Gottes erkennen können; er spricht auch durch die Natur, die Schöpfung, und er spricht natürlich und vor allem in seinem Wort, in der Heiligen Schrift, die in der Gemeinschaft der Kirche und im persönlichen Gespräch mit Gott gelesen wird.

Es ist wichtig, die Heilige Schrift einerseits in sehr persönlicher Weise zu lesen und, wie der hl. Paulus sagt, nicht wie das Wort irgendeines Menschen oder wie ein Dokument aus der Vergangenheit, etwa so wie wir Homer oder Vergil lesen, sondern eben als Wort Gottes, das immer aktuell ist und zu mir spricht. Wir müssen lernen, in einem historisch aus der Vergangenheit stammenden Text das lebendige Wort Gottes zu vernehmen, das heißt wir sollen eintreten in das Gebet und so die Lektüre der Heiligen Schrift zu einem Gespräch mit Gott machen.

Der hl. Augustinus sagt in seinen Homilien oft: Ich habe mehrmals an die Tür dieses Wortes geklopft, bis ich hören konnte, was Gott selbst zu mir sagte. Auf der einen Seite steht diese sehr persönliche Lektüre, dieses persönliche Gespräch mit Gott, in dem ich danach suche, was der Herr mir sagt. Von großer Bedeutung ist, zusammen mit dieser persönlichen Lektüre, die gemeinschaftliche Schriftlesung, weil das lebendige Subjekt der Heiligen Schrift das Volk Gottes, die Kirche, ist.

Die Heilige Schrift war keine reine Privatangelegenheit großer Schriftsteller – auch wenn der Herr immer den Menschen, seine persönliche Antwort braucht – , sondern sie ist mit Personen gewachsen, die in den Weg des Gottesvolkes einbezogen waren, und auf diese Weise sind ihre Worte Ausdruck dieses Weges, dieser Wechselseitigkeit des Rufes Gottes und der menschlichen Antwort.

Also: Das Subjekt lebt heute, wie es zu jener Zeit gelebt hat; demnach gehört die Heilige Schrift nicht der Vergangenheit an, weil ihr Subjekt, das von Gott selbst inspirierte Volk Gottes, immer dasselbe ist, und daher ist das Wort immer im lebenden Subjekt lebendig. Es ist darum wichtig, die Heilige Schrift in der Gemeinschaft der Kirche zu lesen und zu hören, das heißt mit allen großen Zeugen dieses Wortes, von den ersten Kirchenvätern bis zu den Heiligen von heute und dem Lehramt von morgen.

Es ist vor allem ein Wort, das in der Liturgie lebensspendend wird und lebt; deshalb, würde ich sagen, ist die Liturgie der bevorzugte Ort, wo jeder von uns im Gespräch mit Gott in das »Wir« der Kinder Gottes eintritt. Das ist wichtig: Das Vaterunser beginnt mit den Worten Vater unser; nur wenn ich in das »Wir« dieses »Unser« aufgenommen werde, kann ich den Vater finden; nur innerhalb dieses »Wir«, dem Subjekt des Vaterunser- Gebetes, hören wir das Wort Gottes richtig. Deshalb scheint mir Folgendes so wichtig zu sein: Die Liturgie ist der bevorzugte Ort, wo das Wort lebendig und gegenwärtig ist, ja, wo das Wort, der »Logos«, der Herr, zu uns spricht und sich in unsere Hände gibt. Wenn wir in dieser großen Gemeinschaft der Kirche aller Zeiten auf den Herrn hören, dann finden wir ihn.

Er öffnet uns allmählich die Tür. Ich würde also sagen, das ist der Punkt, auf den sich alle anderen konzentrieren: Wir werden auf unserem Weg persönlich vom Herrn geleitet, und gleichzeitig leben wir in dem großen »Wir« der Kirche, wo das Wort Gottes lebt.

Dann schließen sich die anderen Punkte an: Wir hören die Freunde, wir hören die Priester, die uns leiten, wir hören die lebendige Stimme der Kirche von heute und so auch die Stimme der Geschehnisse unserer Zeit und der Schöpfung, die sich in diesem tieferen Zusammenhang entschlüsseln lassen.

Zusammenfassend würde ich daher sagen: Gott spricht auf vielerlei Weise mit uns. Wichtig ist einerseits, im »Wir« der Kirche, in dem in der Liturgie gelebten »Wir« zu bleiben. Es ist wichtig, diesem »Wir« in uns selbst persönliche Gestalt zu geben, auf die anderen Stimmen des Herrn zu hören, uns auch leiten zu lassen von Menschen, die sozusagen Erfahrung mit Gott haben und uns auf diesem Weg helfen, damit dieses »Wir« zu meinem »Wir« wird und ich einer werde, der wirklich zu diesem »Wir« gehört. So wächst die Erkenntnis und wächst die persönliche Freundschaft mit Gott, die Fähigkeit, in den Tausenden von Stimmen heute die Stimme Gottes zu vernehmen, der immer gegenwärtig ist und immer zu uns spricht.

 

CLAUDIO FABBRI: DIÖZESE ROM, 2. Studienjahr (2. Jahr Philosophie)

2. Heiliger Vater, wie war Ihr Leben in der Zeit der Ausbildung zum Priestertum gegliedert und welche Interessen pflegten Sie? Welches sind in Anbetracht der gemachten Erfahrung die Angelpunkte der Ausbildung zum Priesterberuf? Welchen Platz nimmt insbesondere Maria darin ein?

Benedikt XVI.: Ich denke, daß unser Leben im Priesterseminar in Freising sehr ähnlich gegliedert war wie das eure, auch wenn ich euren Tagesplan nicht genau kenne. Wenn ich mich recht erinnere, standen wir um 6.30 Uhr auf, dann folgte um 7 Uhr eine halbstündige Meditation, bei der ein jeder im Stillen mit dem Herrn sprach und so versuchte, sich geistig auf die Heilige Liturgie vorzubereiten. Dann folgte die heilige Messe, das Frühstück und dann am Vormittag die Vorlesungen.

Am Nachmittag gab es Seminare, Studienzeiten und dann noch das gemeinsame Gebet. Am Abend waren die sogenannten »puncta« angesetzt, das heißt, der Spiritual oder der Rektor des Seminars sprachen an den verschiedenen Abenden mit uns, um uns zu helfen, den Weg der Meditation zu finden, indem sie uns nicht eine fertige Meditation vorlegten, sondern uns Elemente an die Hand gaben, die jedem dabei helfen konnten, die Worte des Herrn, die Gegenstand unserer Meditation sein sollten, zur persönlichen Betrachtung zu machen.

So ging es Tag für Tag. Dann gab es natürlich die großen Feste mit einer schönen Liturgie, mit Musik … Aber sehr wichtig zu sein scheint mir – und vielleicht werde ich am Ende noch einmal darauf zurückkommen –, eine Ordnung zu haben, die vor mir da ist, und mir nicht jeden Tag von neuem ausdenken zu müssen, was ich tun muß, wie ich leben soll; es gibt eine Regel, eine Ordnung, die schon auf mich wartet und mir hilft, diesen Tag geordnet zu leben.

Was nun meine Vorlieben betrifft, so folgte ich natürlich, so weit ich es konnte, aufmerksam den Vorlesungen. Am Beginn, in den beiden ersten Jahren in der Philosophie hat mich von Anfang an vor allem die Gestalt des hl. Augustinus fasziniert und dann auch die augustinische Strömung im Mittelalter: der hl. Bonaventura, die großen Franziskaner, die Gestalt des hl. Franz von Assisi.

Faszinierend war für mich vor allem die große Menschlichkeit des hl. Augustinus, der ja nicht die Möglichkeit hatte, sich einfach mit der Kirche zu identifizieren, weil er von Anfang an Katechumene gewesen wäre, sondern geistig kämpfen mußte, um allmählich den Zugang zum Wort Gottes, zum Leben mit Gott zu finden, bis hin zum großen Ja, das er zu seiner Kirche gesprochen hat.

Dieser so menschliche Weg, an dem wir auch heute sehen können, wie man beginnt, mit Gott in Kontakt zu treten, wie alle Widerstände unserer Natur ernstgenommen werden und dann auch in die rechte Bahn geleitet werden müssen, um zu dem großen Ja zum Herrn zu gelangen. So hat mich seine sehr persönliche, vor allem in seinen Predigten entwickelte Theologie eingenommen. Das ist wichtig, weil Augustinus anfangs ein rein kontemplatives Leben führen, andere philosophische Bücher schreiben wollte…, aber der Herr hat das nicht gewollt, er hat ihn zum Priester und Bischof gemacht, und so hat sich sein ganzes übriges Leben, sein Werk im Grunde genommen im Dialog mit einem ganz einfachen Volk entwickelt. Er mußte einerseits immer persönlich die Bedeutung der Schrift finden und andererseits der Aufnahmefähigkeit dieser Leute, ihrem Lebensumfeld Rechnung tragen und zu einem realistischen und gleichzeitig sehr tiefen Christentum gelangen.

Sodann war für mich natürlich die Exegese von großer Bedeutung: Wir hatten zwei Exegeten, die etwas liberal, aber dennoch große, auch wirklich glaubwürdige Exegeten waren, die uns fasziniert haben. Ich kann wirklich sagen, die Heilige Schrift war die Seele unseres Theologiestudiums: Wir haben mit der Heiligen Schrift gelebt und sie lieben, mit ihr reden gelernt. Dazu kam die Patrologie, die Begegnung mit den Kirchenvätern. Auch unser Dogmatikprofessor war ein damals sehr berühmter Mann, der seine Dogmatik mit den Vätern und mit der Liturgie gespeist hatte. Ein ganz zentraler Punkt war für uns die liturgische Ausbildung: Zur damaligen Zeit gab es zwar noch keine Lehrstühle für Liturgie, aber unser Professor für Pastoral hat uns großartige Liturgiekurse gehalten, und da er damals auch Rektor des Seminars war, liefen so die gelebte und gefeierte Liturgie und die gelehrte und durchdachte Liturgie zusammen. Das waren, zusammen mit der Heiligen Schrift, die Brennpunkte unserer theologischen Ausbildung. Dafür bin ich dem Herrn immer dankbar, denn sie bilden wirklich das Zentrum eines priesterlichen Lebens.

Mein weiteres Interesse galt der Literatur: Es war Pflicht, Dostojewski zu lesen, der damals in Mode war; dann die großen Franzosen: Claudel, Mauriac, Bernanos, aber auch die deutsche Literatur; es gab auch eine deutsche Ausgabe des Manzoni: Zu der Zeit sprach ich noch nicht Italienisch. So haben wir in diesem Sinn auch ein wenig unseren menschlichen Horizont geformt. Sehr geliebt habe ich auch die Musik sowie die Schönheit der Natur unseres Landes. Mit diesen Vorlieben, mit diesen Realitäten bin ich auf einem nicht immer leichten Weg vorangegangen. Der Herr hat mir geholfen, zum Ja des Priestertums zu gelangen, ein Ja, das mich jeden Tag meines Lebens begleitet hat.

 

GIANPIERO SAVINO: DIÖZESE TARANTO, 3. Studienjahr (2. Jahr Theologie)

3. In den Augen der meisten mögen wir als junge Männer erscheinen, die entschlossen und mutig ihr Ja sprechen und alles hinter sich lassen, um dem Herrn zu folgen; aber wir wissen, daß wir von einer echten Übereinstimmung mit jenem Ja ziemlich weit entfernt sind. Im Vertrauen von Söhnen gestehen wir Ihnen die Befangenheit unserer Antwort auf den Ruf Jesu und die tägliche Mühe, eine Berufung zu leben, von der wir wissen, daß sie uns auf den Weg der Endgültigkeit und Totalität führt. Was können wir tun, um auf eine so anspruchsvolle Berufung wie jene von Hirten des heiligen Volkes Gottes zu antworten, während wir ständig unsere Schwachheit und Unschlüssigkeit spüren?

Benedikt XVI.: Es ist gut, die eigene Schwachheit zu erkennen, weil wir so wissen, daß wir der Gnade des Herrn bedürfen. Der Herr tröstet uns. Im Apostelkollegium gab es nicht nur den Judas, sondern auch die guten Apostel, und trotzdem ist Petrus gefallen, und viele Male tadelt der Herr die Trägheit, die Verschlossenheit des Herzens der Apostel, ihren geringen Glauben. Er zeigt uns also, daß sich keiner von uns nur auf der Höhe dieses großen Ja befindet, auf der Höhe, »in persona Christi« die heilige Messe zu feiern, konsequent in diesem Rahmen zu leben, mit Christus in seiner Sendung als Priester verbunden zu sein.

Der Herr hat uns zu unserem Trost auch die Gleichnisse geschenkt: vom Netz mit guten und schlechten Fischen, vom Acker, wo der Weizen, aber auch das Unkraut wächst. Er läßt uns wissen, daß er gekommen ist, um uns in unserer Schwachheit zu helfen, und daß er, wie er sagt, nicht gekommen ist, um die Gerechten zu rufen, jene, die sich anmaßen, schon vollkommen gerecht zu sein, nicht der Gnade zu bedürfen, jene, die während sie beten, sich selbst loben; sondern er ist gekommen, um jene zu rufen, die wissen, daß sie mit Fehlern behaftet sind, jene herauszufordern, die wissen, daß sie jeden Tag der Vergebung des Herrn, seiner Gnade bedürfen, um weiterzumachen.

Folgendes erscheint mir also sehr wichtig: Zu erkennen, daß wir eine ständige Umkehr nötig haben, daß wir nie einfach angekommen sind. Der hl. Augustinus dachte in der Stunde der Bekehrung, er sei nun auf der Höhe des Lebens mit Gott angekommen, auf der Höhe der Schönheit der Sonne, die sein Wort ist. Dann aber mußte er erkennen, daß auch der Weg nach der Bekehrung ein Weg der Umkehr bleibt, daß er ein Weg bleibt, wo die großartigen Perspektiven, die Freuden, das Licht des Herrn, aber auch dunkle Täler nicht fehlen, wo wir vertrauensvoll vorangehen müssen, indem wir uns auf die Güte des Herrn stützen.

Und deshalb ist auch das Sakrament der Versöhnung so wichtig. Es ist nicht richtig zu meinen, wir müßten so leben, daß wir niemals Vergebung brauchen. Unsere Schwachheit annehmen, aber auf dem Weg bleiben, nicht kapitulieren, sondern vorangehen und uns durch das Sakrament der Versöhnung immer wieder bekehren für einen Neuanfang und auf diese Weise für den Herrn wachsen, reifen in unserer Gemeinschaft mit ihm.

Es ist natürlich auch wichtig, sich nicht zu isolieren, nicht zu denken, man könne allein vorankommen. Wir brauchen den Umgang mit befreundeten Priestern, aber auch mit Freunden aus dem Laienstand, die uns begleiten, uns helfen. Gerade für einen Priester in der Pfarrei ist es von großer Bedeutung, zu sehen, daß die Menschen Vertrauen zu ihm haben, und zugleich mit ihrem Vertrauen auch ihre hochherzige Bereitschaft zu erfahren, ihm seine Schwächen zu verzeihen. Die wahren Freunde fordern uns heraus und helfen uns, treu zu sein auf diesem Weg. Mir scheint, daß uns diese Gedulds- und Demutshaltung helfen kann, zu den anderen gut zu sein, Verständnis für die Schwächen der anderen zu haben, auch ihnen dabei zu helfen, zu vergeben, wie wir vergeben.

Ich glaube, keine Indiskretion zu begehen, wenn ich euch sage, daß ich heute einen schönen Brief von Kardinal Martini erhalten habe: Ich hatte ihm zu seinem 80. Geburtstag meine Glückwünsche übermittelt – wir sind gleich alt. In seinem Dankbrief hat er mir geschrieben: Ich danke dem Herrn vor allem für die Gabe der Ausdauer. Heute – schreibt er – tut man auch das Gute eher »ad tempus«, »ad experimentum«, also versuchsweise. Das Gute aber kann man, seinem Wesen entsprechend, nur endgültig tun; um es endgültig zu tun, brauchen wir die Gnade der Ausdauer; ich bete jeden Tag darum – so schließt er – , daß mir der Herr diese Gnade schenke.

Ich komme zum hl. Augustinus zurück: Er gab sich anfangs mit der Gnade der Bekehrung zufrieden; dann entdeckte er, daß man eine weitere Gnade braucht, die Gnade der Ausdauer, die wir jeden Tag vom Herrn erbitten sollen. Aber so – und damit komme ich wieder zu dem, was Kardinal Martini sagt – »wie mir der Herr bis jetzt diese Gnade der Ausdauer geschenkt hat, wird er sie mir hoffentlich auch für diesen letzten Abschnitt meines Weges auf dieser Erde gewähren«. Wir sollen, scheint mir, Vertrauen haben in diese Gabe der Ausdauer, aber wir müssen auch mit Beharrlichkeit, Demut und Geduld zum Herrn beten, damit er uns durch die Gabe der wahren Endgültigkeit helfe und trage; damit er uns Tag für Tag bis zum Ende begleite, auch wenn der Weg durch finstere Täler führt. Die Gabe der Ausdauer schenkt uns Freude, sie gibt uns die Gewißheit, daß wir vom Herrn geliebt werden, und diese Liebe trägt uns, hilft uns und läßt uns in unseren Schwächen nicht im Stich.

 

DIMOV KOICIO: DIÖZESE NICOPOLI AD ISTRUM (BULGARIEN) 4. Studienjahr (2. Jahr Theologie)

4. Heiliger Vater, in einer Betrachtung beim Kreuzweg im Jahr 2005 sprachen Sie vom Schmutz, den es in der Kirche gibt, und in der Predigt bei der Priesterweihe von Diakonen der Diözese Rom im vergangenen Jahr haben Sie uns gewarnt vor der Gefahr »des Karrierismus, des Versuchs, nach oben zu kommen, sich durch die Kirche eine Stellung zu verschaffen«. Wie können wir uns angesichts dieser Problematik objektiver und möglichst verantwortungsvoll verhalten?

Benedikt XVI.: Das ist keine leichte Frage, doch ich habe, wie mir scheint, schon gesagt – und das ist ein wichtiger Punkt –: Der Herr weiß, ja wußte von Anfang an, daß es in der Kirche auch die Sünde gibt; und für unsere Demut ist es wichtig, dies zu erkennen und die Sünde nicht nur in den anderen, in den Strukturen, in den Inhabern hoher hierarchischer Ämter zu sehen, sondern auch in uns selbst, um so demütiger zu werden und zu lernen, daß vor dem Herrn nicht die kirchliche Stellung zählt, sondern daß wir in seiner Liebe bleiben und seine Liebe leuchten lassen. Für sehr bedeutsam in bezug auf diesen Punkt halte ich persönlich das Gebet des hl. Ignatius: »Suscipe, Domine, universam meam libertatem; accipe memoriam, intellectum atque voluntatem omnem; quidquid habeo vel possideo mihi largitus es; id tibi totum restituo ac tuae prorsus voluntati trado gubernandum; amorem tuum cum gratia tua mihi dones et dives sum satis, nec aliud quidquam ultra posco« [»Nimm an, Herr, meine gesamte Freiheit, nimm an all mein Gedächtnis, meinen Verstand und meinen Willen. Was immer ich habe und was ich besitze, du hast es mir geschenkt. Ich erstatte es dir ganz zurück und überlasse es einfach deinem Willen zur Leitung. Schenke mir allein die Liebe zu dir zusammen mit deiner Gnade, und ich bin reich genug und fordere nichts anderes darüber hinaus.«] Gerade dieser letzte Teil scheint mir von großer Bedeutung zu sein: Begreifen, daß der wahre Schatz unseres Lebens darin besteht, in der Liebe des Herrn zu stehen und diese Liebe niemals zu verlieren. Dann sind wir wirklich reich. Ein Mensch, der eine große Liebe gefunden hat, fühlt sich wirklich reich und weiß, daß das die wahre Perle ist, daß das der Schatz seines Lebens ist und nicht all die übrigen Dinge, die er vielleicht besitzt.

Wir haben sie gefunden, ja wir sind von der Liebe des Herrn gefunden worden, und je mehr wir uns im sakramentalen Leben, im Gebetsleben, im Arbeitsleben, in der Freizeit von dieser seiner Liebe berühren lassen, um so mehr können wir begreifen, daß, sobald ich die wahre Perle gefunden habe, alles übrige nicht zählt, alles übrige nur in dem Maße von Bedeutung ist, in dem die Liebe des Herrn mir diese Dinge zuerkennt. Ich bin reich, ich bin wirklich reich und oben, wenn ich in dieser Liebe bleibe. Hier finden wir das Zentrum des Lebens, den Reichtum. Dann lassen wir uns führen, überlassen der Vorsehung die Entscheidung, was sie mit uns tun wird.

Hier fällt mir eine kleine Geschichte von der hl. Bakhita ein, dieser wunderbaren afrikanischen Heiligen, die Sklavin im Sudan war, dann in Italien zum Glauben gefunden hat und Ordensfrau geworden ist; als sie schon alt war, besuchte der Bischof ihr Kloster, ihr Ordenshaus; er kannte sie nicht; er sah diese kleine, schon gebeugte afrikanische Schwester und sagte zu ihr: »Aber was tun Sie, Schwester?« Bakhita antwortete: »Ich tue dasselbe wie Sie, Exzellenz.« Der Bischof fragte erstaunt: »Aber was?«, und Bakhita darauf: »Exzellenz, wir wollen doch beide dasselbe tun, nämlich den Willen Gottes ausführen.«

Das scheint mir eine sehr schöne Antwort zu sein: Der Bischof und die kleine Schwester, die fast nicht mehr arbeiten konnte, machten in verschiedenen Positionen dasselbe, sie versuchten, den Willen Gottes zu tun, und so waren sie beide auf dem richtigen Platz.

Mir kommt auch ein Wort des hl. Augustinus in den Sinn, das besagt: Wir sind alle immer nur Schüler Christi, und sein Lehrstuhl steht höher oben, denn dieser Lehrstuhl ist das Kreuz, und nur diese Höhe ist die wahre Höhe, die Gemeinschaft mit dem Herrn auch in seinem Leiden. Wenn wir das in einem Leben des Gebets, in einem Leben der Hingabe für den Dienst am Herrn zu begreifen beginnen, können wir uns, so will mir scheinen, von diesen sehr menschlichen Versuchungen befreien.

 

FRANCESCO ANNESI: DIÖZESE ROM, 5. Studienjahr (3. Jahr Theologie)

5. Eure Heiligkeit, aus dem Apostolischen Schreiben Salvifici doloris von Johannes Paul II. geht klar hervor, wie sehr das Leiden für alle jene, die es in Verbundenheit mit den Leiden Christi annehmen, Quelle geistlichen Reichtums ist. Wie kann heute, in einer Welt, die nach jedem erlaubten oder unerlaubten Mittel sucht, um jegliche Art von Schmerz zu beseitigen, der Priester Zeuge des christlichen Verständnisses des Leidens sein und wie soll er sich dem Leidenden gegenüber verhalten, ohne Gefahr zu laufen, rhetorisch oder pathetisch zu sein?

Benedikt XVI.: Ja, wie soll man handeln? Nun, mir scheint, wir müssen anerkennen, daß es richtig ist, alles nur Mögliche zu tun, um die Leiden der Menschheit zu besiegen und den leidenden Menschen – es gibt sehr viele auf der Welt – zu helfen, ein erträgliches Leben zu finden und von den Übeln befreit zu werden, die häufig wir selber verursachen: Hunger, Seuchen usw.

Aber gleichzeitig mit der Anerkennung dieser Pflicht, gegen die von uns selbst verursachten Leiden tätig zu werden, müssen wir auch erkennen und verstehen, daß das Leiden wesentlich zu unserem menschlichen Heranreifen gehört. Ich denke hier an das Gleichnis des Herrn vom Weizenkorn, das in die Erde gefallen ist und das nur dadurch, daß es stirbt, Frucht bringen kann, und dieses In-die-Erde-Fallen und Sterben ist nicht ein Augenblicksereignis, sondern eben der Verlauf eines ganzen Lebens.

Wie ein Weizenkorn in die Erde fallen und somit sterben, sich verwandeln, Werkzeug Gottes sein und so Frucht bringen. Der Herr sagt nicht zufällig zu seinen Jüngern: Der Menschensohn muß nach Jerusalem gehen, um zu leiden; wer mein Jünger sein will, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Tatsächlich verhalten wir uns immer ein wenig wie Petrus, der zum Herrn sagt: Nein Herr, das darf nicht mit dir geschehen, du darfst nicht leiden. Wir wollen nicht das Kreuz tragen, wir wollen ein menschlicheres, schöneres Reich auf Erden schaffen.

Damit liegen wir vollkommen falsch: Das lehrt uns der Herr. Aber Petrus brauchte viel Zeit, vielleicht sein ganzes Leben, um das zu begreifen. Darum enthält die Quo vadis?-Legende etwas Wahres: Lernen, daß im Gehen mit dem Kreuz Christi der Weg besteht, der Frucht bringt. Daher würde ich sagen: Bevor wir zu den anderen darüber reden, müssen wir selber das Geheimnis des Kreuzes verstehen.

Sicher schenkt uns das Christentum die Freude, weil die Liebe Freude schenkt. Aber die Liebe ist immer auch ein Prozeß des Sich-Verlierens und daher auch ein Prozeß des Sich-Entfernens von sich selbst, in diesem Sinn auch ein schmerzvoller Prozeß. Und nur so ist er schön und läßt uns reifen und zur wahren Freude gelangen. Wer ein ausschließlich unbekümmertes und bequemes Leben geltend macht oder verspricht, lügt, weil das nicht die Wahrheit vom Menschen ist; die Konsequenz ist dann, daß man in falsche Paradiese flüchten muß. So aber gelangt man nicht zur Freude, sondern zur Selbstzerstörung.

Das Christentum verkündet uns die Freude, gewiß. Doch diese Freude wächst allein auf dem Weg der Liebe, und dieser Weg der Liebe hat etwas mit dem Kreuz, mit der Gemeinschaft mit dem gekreuzigten Christus zu tun. Und er wird versinnbildlicht durch das Weizenkorn, das in die Erde gefallen ist. Wenn wir beginnen, das zu begreifen und jeden Tag anzunehmen, weil uns jeder Tag irgendeine Unzufriedenheit auferlegt, irgendeine Last, die auch Schmerz verursacht, wenn wir diese Schule der Nachfolge Christi annehmen, wie die Apostel in dieser Schule lernen mußten, dann werden wir auch dazu fähig, den Leidenden zu helfen.

Es ist sicher immer problematisch, wenn einer, der über eine mehr oder weniger gute Gesundheit verfügt oder in guten Verhältnissen lebt, einen anderen trösten soll, der von großem Übel betroffen ist: sei es Krankheit, sei es Liebesverlust. Angesichts dieser Übel, die wir alle kennen, erscheint alles fast unvermeidlich nur rhetorisch und pathetisch. Aber ich würde sagen: Wenn diese Menschen spüren können, daß wir Mitleidende sind, daß wir mit ihnen das Kreuz in Gemeinschaft mit Christus tragen wollen, indem wir vor allem mit ihnen beten, ihnen auch mit einem von Sympathie, von Liebe erfüllten Schweigen beistehen, ihnen helfen, soweit es uns möglich ist, dann können wir glaubwürdig werden.

Wir müssen es akzeptieren, daß vielleicht in einem ersten Augenblick unsere Worte nur als bloße Worte erscheinen mögen. Wenn wir aber wirklich in diesem Geist der wahren Nachfolge Jesu leben, finden wir auch die Möglichkeit, anderen mit unserer Sympathie nahe zu sein. Sympathie heißt etymologisch Mit-leiden für den Menschen, indem man ihm hilft, mit ihm betet und auf diese Weise das Vertrauen erzeugt, daß auch im finstersten Tal die Güte des Herrn vorhanden ist.

So können wir das Herz öffnen für das Evangelium Christi selbst, der der wahre Tröster ist; das Herz öffnen für den Heiligen Geist, der der andere Tröster, der andere Beistand genannt wird, der beisteht, der gegenwärtig ist. Wir können das Herz nicht durch unsere Worte öffnen, sondern durch die große Lehre Christi, durch sein Bei-uns-Sein, und so helfen, daß das Leiden und der Schmerz tatsächlich zur Gnade des Reifens, der Gemeinschaft mit dem gekreuzigten und auferstandenen Herrn werden.

 

MARCO CECCARELLI: DIÖZESE ROM, Diakon (wird am 29. April zum Priester geweiht werden)

6. Eure Heiligkeit, in den nächsten Monaten werden meine Mitalumnen und ich zu Priestern geweiht werden. Wir werden aus dem durch die Regeln des Seminars gut strukturierten Leben in die weit komplexere Situation unserer Pfarreien wechseln. Welche Ratschläge können Sie uns geben, um den Beginn unseres priesterlichen Dienstes so gut wie möglich zu leben?

Benedikt XVI.: Also hier im Seminar habt ihr ein gut gegliedertes Leben. Als ersten Punkt würde ich sagen, daß es auch im Leben von Hirten der Kirche, im täglichen Leben des Priesters wichtig ist, soweit wie möglich eine gewisse Ordnung zu bewahren: Es soll nie die Messe ausfallen – ohne Eucharistie ist ein Tag unvollständig; deshalb wachsen wir ja schon im Seminar mit dieser täglichen Liturgiefeier; mir scheint sehr wichtig, daß wir das Bedürfnis spüren, beim Herrn zu sein in der Eucharistie, daß es nicht lediglich eine berufliche Verpflichtung, sondern wirklich eine innerlich empfundene Pflicht sein soll, die Eucharistie nie auszulassen.

Der andere wichtige Punkt ist, sich Zeit zu nehmen für das Stundengebet und damit für diese innere Freiheit: Das Stundengebet befreit uns trotz aller Lasten, die es gibt, und hilft uns auch, offener zu sein und in tiefem Kontakt mit dem Herrn zu stehen. Natürlich müssen wir all das tun, was uns das pastorale Leben, das Leben eines Kaplans, eines Pfarrers oder eine der anderen priesterlichen Aufgaben auferlegt. Doch würde ich sagen, daß diese Fixpunkte, die Eucharistie und das Stundengebet, nie vergessen werden sollen, um im Tag eine gewisse Ordnung zu haben, die ich mir – wie ich eingangs sagte – nicht immer wieder neu ausdenken muß. »Serva ordinem et ordo servabit te«, »Diene der Ordnung, und die Ordnung wird dir dienen«, so haben wir es gelernt.

Sodann ist es wichtig, die Gemeinschaft mit den anderen Priestern, mit den Weggefährten von einst nicht aufzugeben und den persönlichen Kontakt mit dem Wort Gottes, die Meditation, nicht zu verlieren. Wie kann das gelingen? Ich habe ein recht einfaches Rezept: Die Vorbereitung der Sonntagshomilie mit der persönlichen Betrachtung zu verbinden, um dafür zu sorgen, daß diese Worte nicht nur zu den anderen gesagt werden, sondern wirklich vom Herrn zu mir gesprochene und im persönlichen Gespräch mit dem Herrn gereifte Worte sind. Damit das möglich ist, lautet mein Rat, mit der Predigtvorbereitung schon am Montag zu beginnen, denn wenn man erst am Samstag beginnt, ist es zu spät, die Vorbereitung wird überhastet und es fehlt vielleicht die Inspiration, weil man andere Dinge im Kopf hat. Deshalb würde ich sagen, man soll sich schon am Montag einfach die für den nächsten Sonntag vorgesehenen Lesungen vornehmen, die vielleicht recht unzugänglich erscheinen. Etwa wie jene Felsen von Massa und Meriba, wo Moses sagt: »Wie kann Wasser aus diesen Felsen kommen?«

Lassen wir diese Lesungen ruhen, lassen wir zu, daß das Herz sie sich einverleibt; im Unterbewußtsein arbeiten die Worte und kehren jeden Tag kurz zurück. Selbstverständlich wird man, soweit es möglich ist, auch Bücher konsultieren müssen. Und dadurch, daß es ständig, Tag für Tag, in einem arbeitet, sieht man, wie allmählich eine Antwort heranreift. Nach und nach öffnet sich dieses Wort und wird zum Wort für mich. Und da ich ein Zeitgenosse bin, wird es auch zu einem Wort für die anderen. Ich kann beginnen, all das, was ich vielleicht in meiner theologischen Sprache erkenne, in die Sprache der anderen zu übersetzen. Der Grundgedanke bleibt jedoch für die anderen und für mich derselbe.

Auf diese Weise kann man eine dauernde, schweigende Begegnung mit dem Wort Gottes haben, die nicht viel von der Zeit erfordert, die wir vielleicht nicht haben. Aber etwas Zeit sollt ihr dafür reservieren: So reift nicht nur eine Predigt für den Sonntag, für die anderen heran, sondern mein eigenes Herz wird vom Wort des Herrn berührt. Ich bleibe mit ihm auch in einer Situation in Kontakt, wo mir vielleicht nur wenig Zeit zur Verfügung steht.

Ich möchte jetzt nicht zu viele Ratschläge geben, denn das Leben in der Großstadt Rom unterscheidet sich doch ein wenig von jenem Leben, das ich vor 55 Jahren in unserem Bayern geführt habe. Aber ich denke, das Wesentliche ist eben dies: Eucharistie, Stundengebet, Gebet und jeden Tag, wenn auch kurz, das Gespräch mit dem Herrn über seine Worte, die ich verkünden soll. Und niemals darf die Freundschaft mit den Priestern, das Hören auf die Stimme der lebendigen Kirche und natürlich die Verfügbarkeit für die mir anvertrauten Menschen verloren gehen, denn gerade von diesen Menschen mit ihren Leiden, ihren Glaubenserwartungen, ihren Zweifeln und Schwierigkeiten können auch wir Gott suchen und finden lernen. Unseren Herrn, Jesus Christus, finden lernen.

 

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