BUßVIGIL ZUM ABSCHLUSS DER EXERZITIEN ZUR VORBEREITUNG DER ZWEITEN
SITZUNG DER 16. ORDENTLICHEN GENERALVERSAMMLUNG DER BISCHOFSSYNODE
BETRACHTUNG DES HEILIGEN VATERS
Petersdom
Dienstag, 1. Oktober 2024
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Liebe Brüder und Schwestern,
in Jesus Sirach lesen wir: »Das Gebet eines Demütigen durchdringt die Wolken« (35,21).
Wir sind hier als Bettler um die Barmherzigkeit des Vaters, indem wir um Vergebung bitten.
Die Kirche ist immer die Kirche der Armen im Geiste und der Sünder, die um Vergebung bitten, und nicht nur die Kirche der Gerechten und der Heiligen, vielmehr auch der Gerechten und der Heiligen, die sich als Arme und Sünder erkennen.
Ich wollte die Bitten um Vergebung schreiben, die von einigen Kardinälen verlesen wurden, weil es notwendig war, unsere hauptsächlichen Sünden mit Vor- und Zunamen zu benennen. Und wir verstecken sie oder wir sprechen sie mit zu höflichen Worten aus.
Die Sünde ist immer eine Wunde in den Beziehungen: in der Beziehung zu Gott und in der Beziehung zu den Brüdern und Schwestern. Schwestern, Brüder, niemand wird allein gerettet, aber es ist ebenso wahr, dass die Sünde eines Einzelnen Auswirkungen auf viele hat: So wie alles im Guten verbunden ist, so ist es auch beim Bösen.
Die Kirche ist ihrem Wesen nach eine Kirche des Glaubens und der Verkündigung und so immer beziehungsorientiert und nur durch die Heilung erkrankter Beziehungen können wir synodale Kirche werden. Wie könnten wir in der Mission glaubwürdig sein, wenn wir unsere Fehler nicht anerkennen und uns nicht hinabbeugen, um die Wunden zu heilen, die wir durch unsere Sünden verursacht haben?
Und die Heilung der Wunde beginnt mit dem Bekenntnis der Sünde, die wir begangen haben.
Das Gleichnis aus dem Lukasevangelium, das wir gehört haben, stellt uns zwei Männer vor, einen Pharisäer und einen Zöllner, die beide in den Tempel gehen, um zu beten. Der eine steht mit erhobenem Haupt, der andere mit gesenktem Blick. Der Pharisäer füllt die Situation mit seiner Gestalt aus, die die Blicke auf sich zieht und sich als Vorbild aufdrängt. Auf diese Weise meint er zu beten, aber in Wirklichkeit feiert er sich selbst und kaschiert mit seiner oberflächlichen Selbstsicherheit seine Schwächen.
Was erwartet er von Gott? Er erwartet eine Belohnung für seine Verdienste und so beraubt er sich selbst der Überraschung der Gnade des Heils, indem er sich eine Gottheit schafft, die nichts anderes zu tun in der Lage wäre, als ein Zeugnis vermeintlicher Vollkommenheit zu unterschreiben. Ein Mann, der sich der Überraschung verschließt, allen Überraschungen verschlossen bleibt. Er ist ganz in sich verschlossen, verschlossen für die große Überraschung der Barmherzigkeit.
Sein Ich gibt nichts und niemandem Raum, nicht einmal Gott.
Wie oft verhalten wir uns in der Kirche auf diese Weise? Wie oft haben wir den ganzen Raum für uns beansprucht, mit unseren Worten, unseren Urteilen, unseren Titeln, unserer Überzeugung, dass wir nur Verdienste haben? Und auf diese Weise setzen wir fort, was geschah, als Josef und Maria mit dem Sohn Gottes im Mutterleib an die Türen der Gastfreundschaft klopften. Jesus wurde in einer Krippe geboren, weil, wie das Evangelium berichtet, »in der Herberge kein Platz für sie war« (Lk 2,7). Und wir alle sind heute wie der Zöllner, wir senken oder wollen unseren Blick senken und wir schämen uns, wir wollen uns für unsere Sünden schämen. Wie er bleiben wir hinten stehen und räumen den Platz, der von Anmaßung, Heuchelei und Stolz besetzt ist. Sagen auch wir Bischöfe, Priester, gottgeweihte Männer und Frauen es und räumen wir den Platz, der von der Anmaßung, der Heuchelei und dem Stolz besetzt ist
Wir könnten den Namen Gottes nicht anrufen, ohne unsere Brüder und Schwestern, die Erde und alle Geschöpfe um Vergebung zu bitten.
Wir beginnen diese Etappe der Synode. Und wie könnten wir eine synodale Kirche sein ohne Versöhnung?
Wie könnten wir behaupten, gemeinsam zu gehen, ohne die Vergebung zu empfangen und zu geben, die die Gemeinschaft in Christus wiederherstellt?
Die Vergebung, die erbeten und gegeben wird, schafft eine neue Eintracht, in der die Unterschiede nicht mehr im Wege stehen und Wolf und Lamm miteinander leben können (vgl. Jes 11,6). Das Beispiel von Jesaja ist mutig!
Angesichts des Bösen und des unschuldigen Leidens fragen wir: Wo bist du, Herr? Aber die Frage müssen wir auch uns stellen und uns nach unserer Verantwortung fragen, wenn es uns nicht gelingt, das Böse mit dem Guten zu stoppen. Wir können nicht erwarten, dass wir Konflikte lösen, indem wir Gewalt schüren, die immer abscheulicher wird, uns loskaufen, indem wir Schmerz verursachen, uns durch den Tod anderer retten. Wie können wir ein Glück anstreben, das mit dem Unglück unserer Brüder und Schwestern bezahlt wird?
Und das gilt für alle, für alle: Laien, Gottgeweihte, für alle! Am Vorabend des Beginns der Synodenversammlung ist die Beichte eine Gelegenheit, das Vertrauen in die Kirche und ihr gegenüber wiederherzustellen, ein Vertrauen, das durch unsere Fehler und Sünden erschüttert wurde, und damit zu beginnen, die Wunden zu heilen, die nicht aufhören zu bluten, und »die Fesseln des Unrechts« (Jesaja 58,6) zu lösen.
Im Gebet des Adsumus, mit dem wir morgen die Synode eröffnen werden, heißt es: »Wir sind hier, belastet von der Ungeheuerlichkeit unserer Sünde«. Und wir möchten vermeiden, dass diese Last den Weg des Reiches Gottes in der Geschichte verlangsamt.
Wir haben unseren Anteil getan, auch von Fehlern. Wir setzen unsere Sendung fort, so weit wir können, aber jetzt wenden wir uns an euch junge Menschen, die ihr darauf wartet, dass wir euch die Zeugenschaft übergeben, und bitten auch euch um Vergebung, wenn wir keine glaubwürdigen Zeugen waren.
Und heute am liturgischen Gedenktag der heiligen Theresia vom Kinde Jesus, der Patronin der Missionen, bitten wir um ihre Fürsprache.
Kurze Pause der Stille. Dann erheben sich alle und verneigen sich.
Der Heilige Vater ergreift wieder das Wort und betet:
O Vater, wir sind hier versammelt im Bewusstsein, dass wir deinen liebevollen Blick brauchen. Unsere Hände sind leer, wir können nur so viel empfangen, wie du uns geben kannst. Wir bitten dich um Vergebung für alle unsere Sünden, hilf uns, dein Antlitz wiederherzustellen, das wir durch unsere Untreue verunstaltet haben. Wir bitten diejenigen um Vergebung, die durch unsere Sünden verletzt wurden, und schämen uns dafür.
Gib uns den Mut zur aufrichtigen Reue für die Umkehr.
Wir bitten darum, indem wir den Heiligen Geist anrufen, dass er die Herzen, die du geschaffen hast, mit seiner Gnade erfülle, in Christus Jesus, unserem Herrn.
Wir alle bitten um Vergebung, wir alle sind Sünder, aber wir alle haben die Hoffnung auf deine Liebe, Herr.
Amen.
Zum Abschluss der Bußvigil überreichte der Papst vier Personen ein Exemplar des Neuen Testaments. In freier Rede richtete er folgende Worte an sie:
Ich sage euch: Das heilige Evangelium ist unser Weg, unsere Wahrheit, unser Leben. Ich vertraue es euch an, die ihr die Wächter des neuen Tages in der Kirche seid, die für die Mission synodal sein will. Seit das Wort Fleisch geworden ist, sucht das Wort Jesu unser Fleisch, wie schwach und untreu es auch sein mag. Wir alle sind Sünder, wir alle betteln um die Barmherzigkeit des Vaters, deshalb haben wir unsere Sünden bekannt. Wir werden nun den Segen Gottes empfangen, der der Atem des Lebens ist, die Liebkosung der Hoffnung, die es den Gefallenen ermöglicht, immer wieder aufzustehen. Und wir alle, Brüder und Schwestern, sollten uns daran erinnern, dass es nur einmal, nur ein einziges Mal erlaubt ist, auf einen Menschen herabzuschauen: nur um ihm zu helfen, wieder aufzustehen. In anderen Fällen darf man das nicht. Es ist erlaubt, auf einen Menschen herabzuschauen, um ihm zu helfen, sich zu erheben. Denkt daran, dass das Evangelium mit unschuldigen Händen und einem reinen Herzen bewahrt und verkündet werden muss, und wenn jemand von uns keine unschuldigen Hände hat, kein reines Herz hat, dann soll er wenigstens ein reumütiges Herz haben.
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